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Verhaltenstherapeutische Paartherapie - Teil 2

Autorenbild: vicky Kalavicky Kala

Im ersten Teil habt ihr bereits erfahren, wie die ersten Schritte einer Verhaltenstherapie für Paare aussehen, vom Beziehungsaufbau zur therapierenden Person bis hin zum Kompetenztraining und Probleme lösen. Jetzt ist das Paar in der Verhaltenstherapie in der Regel so weit, dass sie gelernt haben, ihre Probleme direkt anzusprechen und auch einander zuzuhören sowie gemeinsam nach Lösungen für anstehende Probleme zu suchen. Mit diesem stabilen Fundament geht es nun daran, auch tiefergehende Themen angemessen anzusprechen und den Kern der Partnerschaftsstörung herauszufinden.


Der Kern des Problems

Anhand der Trichtermethode wird nun bei der sprechenden Person nach den Wurzeln der für ihn*sie schlimm empfundenen Situation gesucht. Während sich das Paar gegenübersitzt, unterstützt der*die Therapeut*in die sprechende Person darin, die erlebten Emotionen in der konkreten Situation nochmals nachzufühlen und zu explorieren, weshalb die Situation so belastend war. Vielleicht war nicht das fehlende Heraustragen des Abfalls der Auslöser für Wut oder Traurigkeit, sondern das dabei entstandene Gefühl, nicht gehört zu werden. Vielleicht haben auch bei euch solche Alltagskonflikte zu starken Emotionen geführt. Diese werden daher dank der Trichtermethode auf ihre Ursachen zurückverfolgt. In diesem Prozess sind beide Partner*innen miteinbezogen, denn es geht um das empathische Verstehen des Erlebten des anderen. Dabei wird Intimität aufgebaut, in welcher sich beide Seiten komplett öffnen und so die verwirrenden Stressgefühle und belastenden Emotionen konkret auf die zugrundeliegenden Ursachen zurückführen können. Durch die intime, emotionale Begegnung machen sich die beiden Partner*innen zu ihren engsten Vertrauten und stärken das «Wir-Gefühl» enorm.


Sich hören und unterstützen

Wenn einmal alle Karten auf dem Tisch sind und Paare Stärke aus ihrem «Wir-Gefühl» schöpfen, geht es nun darum, dass die zuhörende Person adäquat auf die Selbstöffnung des Anderen reagiert. Durch eine empathische Haltung, welche durch die emotionale Therapie-Situation entsteht, wird das Gegenüber unterstützt. Es können dabei verschiedene Techniken angewendet werden, wie das Entgegenbringen von Wertschätzung, Solidarisieren, Mut machen, zärtlich sein oder Hilfe anbieten, gewisse Situationen umzubewerten. Nicht jeder Mensch ist gleich, manche brauchen eher körperlichen Support, andere motivierende oder tröstende Worte und dritte vielleicht einfach das Gefühl, dass einem geglaubt wird. Wichtig in jedem Fall ist, dass die Unterstützungsleistung auf die Emotionen gerichtet sind und gleich problemlöse Charakter haben. Oftmals lösen emotionsbezogene Unterstützungsleistungen das Problem von alleine. Habt ihr als Paar schon Erfahrungen mit solchen Situationen gemacht? Weisst du, welche Art dein*e Partner*in besonders schätzt.


Rückmeldung geben

Doch kann aber eine Unterstützungsleistung, obschon sie wohlwollend und gut gemeint war, von dem*der Partner*in als nicht passend empfunden werden. Deswegen ist es immer auch wichtig, dass der*die Unterstützungsempfänger*in rückmeldet, was sie* oder er* benötigt hätte, passender gewesen wäre oder als Ergänzung gewünscht hätte. Denn nur, wenn beide Partner*innen auch lernen, wie genau sie aufeinander eingehen sollen, können auch zukünftig tiefe Gefühle und schwierige Situationen gemeinsam besprochen werden. Würdest du dich deinem*r Partner*in weiterhin öffnen, wenn du wüsstest, dass er*sie sowieso nicht so auf dich eingehen kann, wie du dir das wünschen würdest?


Eine Frage der Erwartung

Ein Teilaspekt der verhaltenstherapeutischen Paartherapie kann daraus bestehen, dass man mit den Erwartungen und Einstellungen des Paares arbeitet. Hast du dich auch schon mal dabei ertappt, wie du deinen Schatz um etwas gebeten hast und gleichzeitig gedacht hast «er*sie macht das sowieso nicht»? Oder glaubst du, dass dein*e Partner*in wissen müsste, wie es dir geht, ohne, dass du etwas sagen musst? Dies sind Erwartungen und Einstellungen, die dysfunktional sind, sprich, sie führen in der Partnerschaft zu Enttäuschung und Frustration. Daher kann man mit verschiedenen Mitteln lernen, diese dysfunktionalen Annahmen in funktionale umzuwandeln. Beispielsweise kann eine Pro- und Kontraliste dabei helfen, gemeinsam verschiedene Szenarien durchzugehen und zu schauen, was dafür und dagegen spricht und Erwartungen klären. Ziel ist es, realistische Erwartungen und angemessene Einstellungen zu erlernen.


Gegenseitige Toleranz

Ein Thema, das vielleicht nicht in der ersten Phase des Verliebtseins aktuell ist, aber sich oft gleichzeitig mit dem Alltag in die Beziehung schleicht, ist das Thema der Toleranz. Wie oft hast du Dinge an deinem Gegenüber bemerkt, die dir auf den Keks gehen? Vielleicht sind es kleine Sachen oder auch grössere, aber irgendwie kommt das Gefühl auf von «er*sie muss sich ändern». Die Akzeptanzarbeit in der Verhaltenstherapie für Paare ist wichtig, wenn es darum geht zu lernen, die Bedürfnisse des jeweils anderen zu respektieren. Das Paar soll dazu das Problem als gemeinsamen «Feind» sehen und von aussen betrachtet darauf eingehen. Die Partner*innen sollen Toleranz gegenüber den eigenen Freiräumen entwickeln und lernen, dass auch eine gewisse Unabhängigkeit zu einer Partnerschaft gehören kann. Wenn aber ein Verhalten verletzend oder störend ist, geht es nicht lediglich darum, dieses Verhalten zu akzeptieren lernen. Schliesslich ist die Idee die, dass im Paar störendes Verhalten angesprochen und ein Raum von akzeptierenden Verhaltensänderungen geschaffen wird, der den Bedürfnissen beider gerecht wird. Kurzum, es braucht Kompromissbereitschaft.


Natürlich können neben dem Erlernen diverser Fähigkeiten zur Kommunikation und Problemlösung auch einzelne Themen in der Therapie aufgegriffen werden. Edukation zu den verschiedensten Themen wie Untreue, Sexualität oder Verzeihen und Versöhnen können bei Bedarf in die Paartherapie miteingebaut werden. Ihr seht also, dass man bei der Paartherapie viele Dinge lernt, die essentiell sind für eine Beziehung, die man aber weder in der Schule noch sonst wo wirklich erklärt bekommt. Durch das gemeinsame Arbeiten als Paar wird nicht nur der Knoten in der Partnerschaft gelöst, sondern das Paar stärkt das Wir-Gefühl und die Wahrnehmung, als Team gemeinsam stark zu sein und zukünftige Herausforderungen gemeinsam zu meistern. Für weitere Auskünfte betreffend Paartherapie meldet euch am besten direkt beim Psychotherapeutischen Zentrum der Universität Zürich.



Dieser Eintrag basiert auf dem Artikel Verhaltenstherapeutische Paartherapie von Guy Bodenmann und Corina Merz aus dem Jahr 2012.



geschrieben von Rebecca Vollenweider

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