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Von der Kunst richtig zu streiten

Geld, Kinder, Schuhe

Streit mit dem*r Partner*in kennen wir alle. Manchmal sind es Konflikte über die kleinen Dinge des Alltags: Wie viele Schuhe dürfen vor der Tür stehen und soll das Fenster beim Schlafen offen oder geschlossen sein? Manchmal sind es aber auch grössere Themen, die zu Streit führen: Kindererziehung, Geld oder Nähe und Distanz. Per se ist ein Konflikt nicht schlecht für eine Beziehung. Es ist sogar sehr wichtig, dass wir gewisse Konflikte auszutragen, wenn unsere Beziehung langfristig für beide befriedigend sein soll. Sogar die Forschung zeigt, dass glückliche Paare nicht unbedingt weniger streiten als unglückliche Paare. Aber sie streiten anders...


In der Hitze des Gefechts

In der Hitze des Gefechts passiert es nicht selten, dass man den Anderen angreift, ihm Vorwürfe macht und dabei ein bisschen übertreibt: Immer!! Nieee! Oder man provoziert den*die Partner*in, indem man Fragen stellt, die er eigentlich gar nicht beantworten kann: "Willst du jetzt wirklich jeeeden Abend mit mir über das reden?!" Manchmal reagiert man vielleicht auch ganz schön abschätzig: "Nicht schon wieder dieses Thema, du tust echt unnötig kompliziert!" Und einige kennen auch das Phänomen des „Mauerns“: Ein*e Partner*in klinkt sich quasi aus, wendet den Blick ab, dreht sich weg, beginnt etwas zu lesen oder verlässt den Raum. Solche Muster machen es nicht nur schwieriger, den Konflikt aufzulösen, wenn sie immer wieder vorkommen wirken sie sich mit der Zeit auch schlecht auf unsere Beziehung aus.


Wie dann?

Wenn ich angriffslustig oder destruktiv bin, ist das häufig Ausdruck einer oberflächlichen Wut oder Erregung. Aber dahinter steckt meist eine Verletzung, Angst oder Unsicherheit. Vielleicht bin ich ziemlich wütend, weil der Müllsack immer noch mitten im Gang steht und zetere: „Hast du den Müll noch immer nicht rausgebracht? Immer muss ich dich daran erinnern, ich hab langsam echt keine Lust mehr an alles zu denken!" Doch wenn man tiefer gräbt, bin ich eigentlich verletzt, weil ich das Gefühl habe, dass meinem*r Partner*in unser Zusammenleben, ein schönes gemeinsames Daheim und damit auch unsere Beziehung nicht so wichtig sind. Solange ich aber auf einer oberflächlichen Ebene mit meinem Partner rede oder besser gesagt, wir uns über den Müll streiten, ist es nicht möglich, einander wirklich zu verstehen. Viel wahrscheinlicher ist, dass wir uns beide angegriffen fühlen und uns entsprechend verteidigen. Darum ist der Schlüssel zu einer konstruktiven Konfliktkommunikation, dass ich versuche zu verstehen, was hinter der Wut liegt – bei mir selbst und auch bei meinem*r Partner*in. Um den Anderen verstehen zu können, muss ich mich voll und ganz auf ihn einlassen und die eigenen Gedanken und Argumente für einen Moment zurückstellen. Nicht immer einfach, aber um weiterzukommen muss ich in diesem Moment wirklich zuhören. Wirklich zuhören heisst, aktiv dabei zu sein und wohlwollend nachzufragen, um das Erleben des Anderen noch besser zu verstehen. Manchmal ist es sogar sinnvoll, das Gesagte kurz zusammenzufassen. Das hilft mir, wirklich aufzunehmen, was mein*e Partner*in gesagt hat, beugt Missverändnissen vor und mein*e Partner*in fühlt sich gehört und verstanden. Die Zuhörerrolle braucht viel Selbstbeherrschung. Wenn ich das weiss und sehe, dass sich mein Partner mir gegenüber als Zuhörer bemüht, kann ich es ihm leichter machen, wenn ich in der Sprecherrolle konkret bei der Situation bleibe, nicht verallgemeinere (immer! Nieee!) und beim Thema bleibe. Und wichtig ist auch, nicht ewig über die sachlichen Aspekte zu sprechen, sondern vor allem die eigenen Gefühle und Gedanken dazu zu äussern.


Wenn es trotzdem kracht

Trotz guter Vorsätze kann es passieren, dass ich mich so fest aufrege, dass ich gar nicht mehr konstruktiv diskutieren, geschweige denn zuhören kann. Dann ist es wichtig, den Konflikt zu unterbrechen und auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Sonst verletzten wir uns nur unnötig und eine Lösung finden wir auch nicht. Dabei geht es nicht darum, den Konflikt einfach ungeschehen zu machen oder zu vergessen. Wir können sogar einen fixen Zeitpunkt festlegen, an dem wir wieder darüber sprechen, vielleicht in einer Stunde, am Abend oder auch am nächsten Tag. Aber oft hilft es, sich zuerst selbst zu beruhigen und die Gedanken zu ordnen, einen Spaziergang zu machen oder eine Tasse Tee zu trinken. Eine Idee ist auch, regelmässige Termine abzumachen, an denen wir in einer entspannten Atmosphäre über heikle Themen sprechen und gemeinsam nach Lösungen suchen.



geschrieben von Noëmi Ruther

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