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Willkommen beim Paarlife-Blog
Mit diesem Blog möchten wir den Paaren Einblick in die Forschung und den daraus gewonnenen Erkenntnissen rundum Prof. Dr. Guy Bodenmanns Forschung geben. Die Erkenntnisse werden in Form von Tipps und Tricks für die Paare aufbereitet. Viel Spass beim Lesen!
Sich lieben soll gelernt sein
Was ist es, das uns im Leben wirklich glücklich macht und erfüllt? Laut Studien werden Liebe, Familie und Partnerschaft als die wichtigsten Faktoren für ein zufriedenes Leben beschrieben. Eine harmonische Familie zu haben und eine*n Partner*in, der/die einen liebt und umsorgt, ist wichtiger als Luxus, ein guter Job oder ein hoher Status. Trotzdem werden über 40% der Ehen in der Schweiz geschieden (Bundesamt für Statistik, 2020). Hinzu kommt eine hohe Anzahl an Paaren, die trotz niedriger Partnerschaftszufriedenheit zusammenbleibt. Die Gründe letzteres sind sehr divers. Sei es die Angst vor dem Alleinsein, finanzielle Sorgen oder auch kulturelle Unterschiede. Meistens kommt die Unzufriedenheit in der Partnerschaft schleichend. Beginnend mit weniger Zeit füreinander, weniger intimem Austausch, häufigeren Konflikten wegen Kleinigkeiten. Es kommt zu einer zunehmenden Entfremdung. Und auf einmal findet man sich in einer Beziehung wieder, die einen selbst nicht mehr erfüllt. Dieser Entwicklung gilt es entgegenzuwirken.
Was macht eine unglückliche Beziehung mit uns?
Eine unzufriedene Partnerschaft beeinflusst sowohl unser körperliches als auch psychisches Befinden. So erhöht sich die Wahrscheinlichkeit an einer psychischen Störung wie beispielsweise Abhängigkeitsstörung oder Angststörung zu erleiden. Es sind aber auch Erkrankungen im Magen-Darm-Bereich oder Herzkreislauferkrankungen, die aufgrund von Unzufriedenheit in der Partnerschaft auftreten und im schlimmsten Fall zu frühzeitigem Tod führen können. Zudem ist der Entwicklungsverlauf von Störungen oder Erkrankungen ungünstiger und die Behandlungserfolge sind bei Beziehungsproblemen niedriger.
Die Eltern streiten und die Kinder leiden
Neben den vielen negativen Folgen für die Gesundheit, die Partnerschaftsprobleme mit sich bringen können, dürfen wir die Kleinsten nicht vergessen. Kinder leiden mit, wenn die Eltern sich nicht mehr verstehen oder unglücklich in ihrer Beziehung sind. Durch die Auseinandersetzungen zwischen den Eltern kommt es nicht selten vor, dass die Kinder weniger Aufmerksamkeit bekommen oder gar zwischen den Stühlen stehen. Schnell kann dann der Umgangston ein wenig kühler werden, man hat weniger Zeit für sie, ist barscher in der Erziehung oder die Kinder werden selber zum Streitthema. Daher ist meist nicht die Scheidung an sich für Kinder am schlimmsten, sondern chronisch destruktive Konflikte, das schlechte Familienklima (schwelende oder häufige offene Konflikte) und fehlende angemessene Modelle für konstruktive Konfliktlösung (durch Kompromissfindung, Versöhnungsversuche). Dies hat zur Folge, dass Kinder, welche chronischen destruktiven Konflikten der Eltern ausgesetzt sind oder deren Scheidung erleben, häufiger Verhaltensauffälligkeiten (Aggression, ADHS) oder emotionale Symptome (Angst, Depression) zeigen, da sie sowohl psychisch als auch körperlich unter der Situation leiden. Aufgrund des Modelllernens der Eltern zeigen diese Kinder im Erwachsenenalter ebenso dysfunktionales Streiten in der Partnerschaft, wie sie es zuhause gelernt haben und weisen ein erhöhtes Risiko für eine Scheidung der eigenen Beziehung auf.
Sich lieben soll gelernt sein
Damit man also erst gar nicht in eine negative Spirale kommt und sich Monate oder Jahre nach der grossen Liebeserklärung plötzlich in einer unglücklichen Beziehung wiederfindet, kann man sich Fähigkeiten aneignen, um eine gesunde Partnerschaft zu pflegen. Prävention ist hier das Stichwort! Sie setzt an, bevor es zu einem negativen Beziehungsverlauf und grossen Krisen kommt und bevor eine Paartherapie notwendig wird. Sie hat das Ziel, Partnerschaften zu stärken und die Liebe zu pflegen. Es gilt in die eigene Beziehung zu investieren. Bei präventiven Massnahmen für Paare, wie beispielsweise Paarlife, handelt es sich um wissenschaftlich fundierte Programme, durch das die Paare lernen können, richtig miteinander zu kommunizieren, gemeinsam Alltags- und Beziehungsstress zu bewältigen und Probleme effizient zu lösen. Man könnte sagen, dass das Lieben gelernt werden kann. Indem man sich so verhält wie ein*e Liebende*r wird man zu einem*er Liebenden. Paarlife ist ein wirksames, erprobtes und breit geschätztes präventives Angebot zur Pflege der Liebe und Partnerschaft. Beide der angebotenen Kursformen für Paare stärken die Beziehung.
Mit Paarlife die Beziehung stärken
Bei den Paarlife Workshops werden an diversen Abenden oder an einem Wochenende wissenschaftliche Inputs rund um die Themen Liebe, Zeit für die Partnerschaft, Nähe, Füreinander da sein, Leidenschaft und Nachhaltigkeit der Beziehung gegeben. Durch die Vorträge wird das Gespräch zu zweit als Paar angeregt, wodurch die eigenen Stärken und Schwächen besser kennengelernt werden. Das Kommunikationstraining für Paare ist intensiver ausgelegt, denn es beinhaltet vier persönliche Coachings. Ziel ist es, als Paar zu lernen, wie man gemeinsam mit Stress besser umgeht, heikle Themen richtig anspricht und schliesslich wie man Probleme effizienter löst.
Es lohnt sich, in die Partnerschaft zu investieren, denn Liebe ist kein Selbstläufer.
Dieser Eintrag basiert auf dem Artikel Neuere Entwicklungen in der Prävention und Behandlung von Beziehungsproblemen bei Paaren von Ann-Katrin Job, Guy Bodenmann, Donald H. Baucom und Kurt Hahlweg aus dem Jahr 2014.
Geschrieben von Rebecca Vollenweider
Das Beste für unsere Kinder
Der Traum der glücklichen Kindheit
Natürlich wollen wir alle das Beste für die eigene Tochter, wünschen uns, dass der eigene Sohn eine unbeschwerte Kindheit hat und dass unsere Kinder irgendwann zu selbstsicheren, glücklichen und gesunden jungen Menschen heranwachsen. In der Realität erleben jedoch viele Kinder im Verlauf ihrer Entwicklung schwierige Phasen und Probleme. Studien zeigen, dass gut 20 % aller Kinder in westlichen Ländern an Verhaltensauffälligkeiten oder emotionalen Störungen leiden. Für viele Eltern geht also der Wunsch nach einer unbeschwerten Kindheit für ihre Tochter oder ihren Sohn nicht ganz in Erfüllung. Ob und weshalb ein Kind eine Störung entwickelt, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab und leider gibt es kein Zaubermittel, um unsere Kinder davor zu bewahren. Allerdings hat die Forschung in den letzten Jahren viele Risikofaktoren herausgearbeitet, die dazu beitragen können, dass ein Kind ein Problemverhalten entwickelt. Einige davon können wir als Eltern nur schlecht kontrollieren und beeinflussen: So bringen Kinder unterschiedliche genetische Voraussetzungen mit, die sie mehr oder weniger anfällig für bestimmte Erkrankungen oder Störungen machen. Auch das Immunsystem, die Neurochemie oder die körperliche und psychische Widerstandsfähigkeit ist bei jedem Kind anders. Ebenso wird ein Kind von seiner Umgebung in der Schule und Nachbarschaft geprägt. Zudem kann es einen Einfluss haben, ob ein Kind in einem Land mit Armut oder Reichtum, mit Krieg oder Frieden, mit stabilen oder instabilen politischen Verhältnissen aufwächst. Als Eltern können wir an diesen Umständen oft nicht viel ändern. Und meist wissen wir auch gar nicht, auf welche komplexe Art und Weise die verschiedenen Einflüsse zusammenspielen und wie unser Kind auf sie reagiert.
Etwas anders sieht es mit den familiären Risikofaktoren aus. Damit sind Bedingungen gemeint, die ein Kind in seiner (Kern-)familie vorfindet und die einen grossen Einfluss auf seine Entwicklung haben können. In der Forschung haben sich in Bezug auf die Erklärung von kindlichem Problemverhalten drei Punkte als besonders wichtig erwiesen: Das Erziehungsverhalten der Eltern, die Kommunikation der Eltern in Konflikten (dazu gibt es auch einen eigenen Blog-Eintrag) und das Befinden der Eltern. In einer Studie haben Professor Bodenmann und die Forscherin und Therapeutin Annette Cina ein Modell mit diesen drei Aspekten überprüft. Dabei haben sie insbesondere untersucht, wie Stress die Zusammenhänge von familiären Risikofaktoren und kindlichem Problemverhalten beeinflusst. Der folgende Abschnitt beschreibt, was sie dabei herausgefunden haben.
Die Studie
An der 1-Jahres-Längsschnittstudie nahmen über 250 Elternpaare aus der Deutschschweiz teil. Sie waren seit durchschnittlich 12.9 Jahren ein Paar und hatten im Schnitt 2.3 Kinder. Beide Elternteile mussten verschiedene Fragebogen ausfüllen. Dazu gehörte ein Fragebogen, der die Häufigkeit von konstruktiver und problematischer Konfliktkommunikation erfasst. Das aktuelle Befinden wurde mit einem Fragebogen zu depressiver Gestimmtheit, Angst und Stressbelastung erfragt. Mittels eines Fragebogens zur Erziehung wurden Erziehungsverhalten und -strategien bei unangemessenem oder schwierigem Verhalten der Kinder erfasst. Mit einem weiteren Fragebogen schätzten die Eltern ihr Kind in Bezug auf verschiedene problematische Eigenschaften ein, wobei sie einerseits angeben sollten, wie häufig diese bei ihrem Kind auftraten und ob sie selbst durch bestimmte Verhaltensauffälligkeiten wie Hyperaktivität oder Trotzverhalten belastet waren.
Die Forschenden gingen davon aus, dass insbesondere ungünstiges Erziehungsverhalten mit Verhaltensauffälligkeiten der Kinder zusammenhing. Dabei nahmen sie an, dass die Konfliktkommunikation und das Befinden der Eltern das Erziehungsverhalten beeinflusst und somit vor allem indirekt auf das kindliche Problemverhalten wirkt. Weiter hatten sie die Vermutung, dass der aktuelle Stress der Eltern alle drei Faktoren massgeblich mitbeeinflusste und sich somit indirekt (wie auch direkt) auch auf das problematische Verhalten des Kindes auswirkt. Wem das zu kompliziert klingt, schaut sich am besten die folgende Abbildung an.Resultate
Die Studie bestätigte, dass das abgebildete Modell einen Beitrag zur Erklärung von kindlichem Problemverhalten leistet. Wie anfangs beschrieben, kann damit natürlich nicht umfassend erklärt oder vorhergesagt werden, ob ein Kind Schwierigkeiten entwickelt, da nur die wichtigsten familiären Risikofaktoren erfasst wurden. Es zeigte sich jedoch, dass durch die in das Modell einbezogenen Merkmale ungefähr ein Fünftel der Unterschiede in den Elterneinschätzungen des Problemverhaltens ihrer Kinder erklärt werden konnte.
Das Erziehungsverhalten erwies sich als zentral: Bei den Müttern hing das kindliche Problemverhalten (respektive ihre Einschätzung davon) direkt mit ihrem Erziehungsverhalten und ihrem Stress zusammen. Stress wiederum hing mit einer ungünstigen Paarkommunikation in Konflikten und einem schlechteren Befinden zusammen, zwei Aspekte die ihrerseits wieder mit ungünstigerem Erziehungsverhalten und somit indirekt auch mit kindlichem Problemverhalten zusammenhingen.
Die wichtige Rolle von elterlichem Stress wurde somit bestätigt – insbesondere bei den Müttern. Dies ist nicht so verwunderlich, da im Allgemeinen immer noch die Mütter einen Grossteil der Erziehungsarbeit leisten und mehr Zeit mit den Kindern verbringen, weshalb sich der Stress der Mütter stärker auf die Kinder auswirken dürfte als der Stress ihrer Väter.
Auch bei den Vätern hing Stress tendenziell direkt mit dem Problemverhalten ihrer Kinder zusammen (aber schwächer als bei den Müttern), wirkte allerdings auch indirekt über eine ungünstige Paarkommunikation, schlechteres Befinden und ungünstiges Erziehungsverhalten auf das Verhalten des Kindes. Im Unterschied zu den Frauen hing das Befinden der Väter direkt mit ihrer Einschätzung des kindlichen Problemverhaltens zusammen. Wenn es also einem Vater schlecht ging, beurteilte er das Verhalten seines Kindes eher als problematisch.
In Kürze
Die Studie konnte zeigen, dass elterlicher Stress einen Einfluss auf die Entstehung und Aufrechterhaltung von kindlichem Problemverhalten haben kann. Ebenso bestätigen die Resultate, dass vor allem dem Erziehungsverhalten der Eltern eine wichtige Rolle zukommt. Die Art, wie Eltern zusammen streiten und ihr eigenes emotionales Befinden können dabei das Erziehungsverhalten beeinflussen. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass ein Kind mit Verhaltensproblemen seinerseits wiederum zu einem höheren Stresspegel der Eltern und der ganzen Familie führt.
Was nun
Die Studie bestätigte, dass unsere Art in Paarkonflikten miteinander umzugehen, unser Befinden und insbesondere unser Erziehungsverhalten eine negative Entwicklung unseres Kindes begünstigen können. Diese Risikofaktoren können jedoch ebenso zu Schutzfaktoren werden, wenn sie positiv ausgeprägt sind. Die Ergebnisse der Studie bedeuten jedoch nicht, dass wir als Eltern perfekt sein müssen, nie mehr streiten dürfen und unseren Kindern nur noch mit dem Erziehungsratgeber vor der Nase begegnen sollten. Aber wir können unseren Kindern etwas Gutes tun, in dem wir uns selbst Sorge tragen, in dem Wissen, dass unser Befinden einen Einfluss auf das Befinden unserer Kinder hat. Wir können unseren Kindern etwas Gutes tun, indem wir unsere Partnerschaft pflegen, in dem Wissen, dass es für unsere Kinder nicht egal ist, wie wir miteinander umgehen. Und wir können ihnen etwas Gutes tun, indem wir uns überlegen, wie unser Alltag ein bisschen weniger stressig werden könnte oder wie wir – allein und als Paar – anders mit Stress umgehen könnten. In dem Wissen, dass Stress einen Einfluss auf sehr viele Bereiche unseres Lebens, wie unser Befinden, unsere Partnerschaft und unser Erziehungsverhalten hat. Wenn du merkst, dass du in einem oder mehreren dieser Bereich anstehst, kann das Beste für dein Kind (und auch für dich) sein, dir Unterstützung zu holen – beispielsweise durch Entlastung durch den Partner, Freunde oder Familienmitglieder oder wenn alles nichts hilft in einer Paar- oder Erziehungsberatung. Denn es ist normal, dass wir manchmal selbst nicht weiterkommen oder mit den Herausforderungen des Lebens überfordert sind. Wenn dein Kind bereits auffällig ist oder Schwierigkeiten hat, ist das sowohl für dich als Elternteil, als auch für die ganze Familie sehr belastend und generiert zusätzlichen Stress. Dann ist es umso wichtiger sich Hilfe zu holen. Für dich als Mutter oder Vater und für dein Kind.
Dieser Blog-Eintrag basiert auf dem Artikel „Zusammenhang zwischen Stress der Eltern und kindlichem Problemverhalten aus dem Jahr 2009 von Dr. Annette Cina und Prof. Dr. Guy Bodenmann.
geschrieben von Noëmi Ruther
Frauen wollen nicht nur reden
Beziehung hält gesund
Normalerweise versuche ich mich in meinen Blog-Einträgen einem Thema nicht nur aus weiblicher Perspektive zu nähern. Doch in diesem Eintrag geht es um Frauen. Was nicht heisst, dass er nicht auch für Männer interessant sein kann. Eigentlich dürfte er für Männer umso interessanter sein, da wissenschaftlich fundierte Einblicke in die weibliche Psyche auch ihnen durchaus Hilfe für den partnerschaftlichen Alltag bieten können. Natürlich gibt es dabei nicht die Frau oder den Mann. Auch wenn in Untersuchungen immer wieder geschlechtsspezifische Tendenzen gefunden werden, ist und bleibt jede Person individuell. In diesem Eintrag gehe ich der Frage nach, was frau von ihrem Partner braucht, wenn frau gestresst ist und wie sich ihre Beziehung dadurch positiv auf ihre Gesundheit auswirken kann. Inzwischen gibt es viele Studien, die zeigen, dass soziale Unterstützung bei verschiedenen Erkrankungen einen positiven Einfluss auf deren Entwicklung und Verlauf hat. Auch zeigen Studien, dass verheiratete Personen ein tiefere Krankheits- und Sterberate aufweisen. Dieser Effekt scheint jedoch bei Männern stärker zu sein. Ein Grund für die Schutzwirkung von engen Beziehungen ist vermutlich eine weniger starke körperliche Stressreaktion in schwierigen Situationen. Heute wissen wir alle: Stress macht krank! Die körperliche Stressreaktion kann man gut erfassen, in dem man Cortisol (Stresshormon) und die Herzfrequenz misst. Zur Erfassung von psychologischem Stress (wie gestresst man sich tatsächlich fühlt) dienen in der Regel Fragebogen. Zusammen mit anderen Forscherinnen und Forschern hat Professor Bodenmann in einer Studie untersucht, ob und wenn ja, wie diese körperlichen und psychischen Reaktionen auf Stress bei Frauen durch Unterstützung von ihrem Partner beeinflusst werden können.
Die Studie
Die Forschenden untersuchten 67 gesunde heterosexuelle Frauen zwischen 20 und 37. Alle wohnten seit mindestens einem Jahr mit ihrem (Ehe)-partner zusammen. Die Frauen gaben an, dass sie in ihrer Beziehung zufrieden waren. Sie wurden im Vorfeld zufällig einer von drei Gruppen zugeteilt. Die erste Gruppe kam ohne ihre Partner zur Untersuchung. In den beiden anderen Gruppen wurden die Partner gebeten, die Frauen zu begleiten. Am Tag der Untersuchung mussten die Frauen einen psychosozialen Stresstest absolvieren (Trier Social Stress Test): Vor einer Art Juri (bestehend aus einem Mann und einer Frau) muss man während 5 Minuten eine Präsentation halten und anschliessend während 5 Minuten eine Kopfrechenaufgabe lösen (laut). Ich kann mir ziemlich gut vorstellen, wie ich mich dabei fühlen würde...Zuerst wurde der Frau der Untersuchungsraum (mit Juri und Videokamera) gezeigt und die Aufgaben wurden ihr erklärt. Anschliessend sollte sie sich während 10 Minuten in einen anderen Raum zurückziehen. Frauen der Gruppe 1 warteten dort alleine. Frauen der Gruppe 2 warteten gemeinsam mit ihrem Partner, der angewiesen wurde, sie verbal zu unterstützten. Dabei wurde ihm gesagt, dass er selbst am besten wüsste, wie er seine Partnerin verbal unterstützen könne. Frauen der Gruppe 3 warteten ebenfalls mit ihrem Partner. Dieser hatte jedoch eine Woche zuvor von einem Physiotherapeuten eine Anleitung für eine Nacken- und Schultermassage erhalten, die er nun seiner Partnerin verabreichen sollte. Dabei wurde das Paar angewiesen, nicht zu sprechen. Nach zehn Minuten verliess der Partner jeweils das Zimmer und die Frau hatte noch 5 Minuten, um sich alleine auf die anschliessende Präsentation vorzubereiten.
Den Frauen wurde einerseits Speichelcortisol entnommen (20 Minuten und 1 Minute vor dem Stresstest sowie 1, 10, 25 und 40 Minuten danach), andererseits trugen sie ein Gerät, welches jede Minute ihren Herzschlag registierte. Weiter wurden zu drei Zeitpunkten Blutproben genommen, um das Hormon Oxytocin zu messen. Das sogenannte Kuschelhormon führt unter anderem dazu, dass der Cortisolspiegel sinkt (es wird beispielsweise beim Stillen oder bei Sex und bei Berührungen ausgeschüttet). Um den psychologischen Stress zu erfassen, mussten die Frauen zudem vor und nach dem Stresstest Fragebogen ausfüllen.
Frauen wollen nicht nur reden
Hormonelle Reaktion auf Stress: In allen Gruppen nahm das Speichelcortisol durch den Stresstest zu und flachte nach einigen Minuten zunehmend wieder ab. Das ist eine normale Reaktion auf Stress. Spannend ist, dass es in der Gruppe 3 (Massage) am schwächsten anstieg. In Bezug auf das Oxytocin zeigten sich keine Veränderungen während des Experiments. Jedoch ist für die beruhigende Wirkung das Oxytocin im Gehirn ausschlaggebend und es ist schwierig, vom Oxytocin einer gewöhnlichen Blutprobe auf den Oxytocin-Level im Gehirn zu schliessen.Herzfrequenz: In allen Gruppen nahm die Herzfrequenz während des Stresstests zu, was ebenfalls eine normale Reaktion ist. Auch hier fand sich jedoch bei Gruppe 3 (Massage) die geringste Zunahme.Psychologische Reaktion: Die Frauen gaben im Durchschnitt nach dem Stresstest stärkere Angstgefühle an als vor dem Stresstest. Zwischen den Gruppen fanden sich dabei keine Unterschiede. Ebenso fanden sich keine Gruppenunterschiede hinsichtlich der subjektiven Einschätzung, wie stressig die Aufgaben von den Frauen erlebt wurden.
In Kürze
In der Studie zeigte sich, dass positiver Körperkontakt mit dem Partner (in Form einer Massage) bei Frauen einen deutlich niedrigeren Cortisolanstieg im anschliessenden Stresstest zur Folge hatte. Weiter hatte die Massage in der darauffolgenden Stresssituation einen weniger starken Anstieg der Herzfrequenz zur Folge. Besonders interessant ist, dass diese Effekte erfolgten, nachdem der Partner den Untersuchungsraum bereits verlassen hatte. Es lag also nicht daran, dass die Frauen während der Stresssituation ihren Partner in der Nähe hatten. Dieser beruhigende Effekt zeigte sich allerdings nur bei der körperlichen und nicht bei der verbalen Unterstützung des Partners. Interessant ist auch, dass bei Frauen, welche vom Partner zuvor eine Massage erhalten hatten, zwar auf körperlicher und hormoneller Ebene eine geringere Stressreaktion zu beobachten war, sich auf psychologischer Ebene jedoch keine Unterschiede zwischen den Gruppen zeigten. Das heisst, dass die körperliche Interaktion mit dem Partner zwar einen Schutzeffekt hatte, dieser jedoch meist nur unbewusst ablief. Auch wenn diese Mechanismen unbewusst ablaufen, kann man davon ausgehen, dass geringere körperliche Stressreaktionen sich langfristig positiv auf die Gesundheit auswirken. So schliessen die Autorinnen und Autoren aus den Ergebnissen, dass Berührung und körperliche Nähe einen Aspekt des gesundheitsförderlichen Effekts von engen Beziehungen darstellen könnte.
Was nun
Natürlich wollen wir Frauen auch über unseren Stress reden. Schliesslich sind wir bekannt dafür, dass wir immer lang und breit über alles reden wollen. Obwohl auch das sicher nicht auf jede Frau zutrifft. Und es ist wichtig, dass wir dabei auf offene Ohren stossen und nicht gleich mit schnellen Ratschlägen vertröstet werden. Aber besonders in akuten Stresssituationen hilft reden manchmal wenig. Hier kann eine beruhigende Berührung viel hilfreicher sein. Und für eine Umarmung oder eine kurze Massage bleibt auch im hektischen Alltag immer Zeit. Tut uns und unserer Gesundheit also etwas Gutes liebe Männer und schenkt uns hie und da eine liebevolle Berührung. Vielleicht besonders dann, wenn wir gestresst und nicht gerade liebenswert sind...Danke!
Dieser Eintrag basiert auf dem Artikel Effects of different kinds of couple interaction on cortisol and heart rate responses to stress in women von Beate Ditzen, Inga D. Neumann, Guy Bodenmann, Bernadette von Dawans, Rebecca A. Turner, Ulrike Ehlert und Markus Heinrichs aus dem Jahr 2007.
geschrieben von Noëmi Ruther
Gemeinsam gegen Stress
Ein Leben ohne Dreigang-Menu
Im letzten Eintrag ging es um den ganz verrückten Alltag. Aber auch darum, weshalb (Alltags-)Stress unseren Beziehungen langfristig stark zusetzen kann. Die gute Nachricht ist: Wir können etwas dagegen tun! Vielleicht können wir uns als Paar einmal zusammensetzten und uns überlegen, was in unserem Leben aktuell am meisten Stress verursacht und wo wir vielleicht die Möglichkeit haben, einen Teil von diesem Stress gar nicht erst entstehen zu lassen. Müssen wir abends wirklich nochmals unsere Emails checken? Müssen wir vor jedem Besuch die ganze Wohnung schrubben und ein Dreigang-Menu kochen? Könnten wir uns nicht auch mit anderen Eltern zusammentun und die Kinder abwechselnd ins Fussball-Training fahren? Solche Fragen gemeinsam durchzugehen kann bereits grosse Entlastung bringen. Natürlich kann Stress nicht immer verhindert werden. Vor allem emotionaler Stress ist meist nicht vorhersehbar und lässt sich auch nicht immer umgehen. Hier brauchen wir Strategien, die uns ermöglichen mit Stress umzugehen, ohne dabei krank und unglücklich zu werden.
Ich gestresst, du gestresst
Der Umgang mit Stress (Coping) wurde lange als ein individuelles Phänomen betrachtet, das nur die gestresste Person betrifft. Erst vor etwa 20 Jahren begann sich die Forschung – insbesondere um Professor Bodenmann – für die gemeinsame Stressbewältigung in Paarbeziehungen zu interessieren. Wenn wir in einer Partnerschaft leben, sind unsere Leben, unsere Stimmungen und auch unser Stressempfinden stark verwoben. Wenn meine Partnerin gestresst ist, bin ich das oft auch. Oder zumindest geht ihr Stress nicht spurlos an mir vorbei. Gleichzeitig bin ich aber auch die Person, die sie in diesem Moment am besten unterstützen kann.
Ein schwieriges Projekt
Letzte Woche kam es wieder einmal zu so einer Stresssituation: Mein Arbeitskollege gab sich schon den ganzen Morgen reserviert und kühl. Irgendwann kam dann zur Sprache, dass er das neue Projekt, das mir unser Chef vor ein paar Tagen zugeteilt hatte, eigentlich ebenfalls gewollt hätte. Er hatte das Gefühl, dass die Zuteilung nicht ganz fair sei. Beispielsweise hätte ich die Ergebnisse unseres letzten gemeinsamen Projekts so dargestellt, als wären sie hauptsächlich mir zuzuschreiben, obwohl er doch die meiste Arbeit geleistet habe. Seine Aussage verunsicherte mich sehr, wollte ich doch einerseits das neue Projekt unbedingt übernehmen und löste sein Vorwurf andererseits ein schlechtes Gewissen in mir aus. Ich begann an mir zu zweifeln. Hatte ich mich bei der Präsentation tatsächlich ins Rampenlicht gerückt? Ausserdem wollte ich unser gutes Verhältnis auf keinen Fall aufs Spiel setzten. Das Thema beschäftigte mich auch noch, als ich abends nach Hause kam...
Mein eigener Freund sein
Wenn ich in solch eine Stresssituation gerate, sollte ich zuerst einmal versuchen, meinen Stress (oder einen Teil davon) alleine zu bewältigen, um meine Partnerin und unsere Beziehung nicht zu stark zu belasten. Dabei gibt es verschiedene Bewältigungsstrategien, die mir helfen können (in einen positiven inneren Dialog mit mir treten, mich selbst innerlich beruhigen, einen Spaziergang machen, Joggen, Atemübungen etc.). Leider verwenden wir manchmal auch weniger gute Strategien wie etwa negative innere Selbstgespräche („War ja klar, dass dir das passiert“, „du hast nichts Besseres verdient“), Alkohol oder Problemvermeidung und Passivität. In einer Studie hat sich gezeigt, dass unzufriedene oder getrennte/geschiedene Paare in den Jahren zuvor oft die Bewältigungsstile Vorwürfe und Passivität/Vermeidung angewandt hatten. Wie ich mit mir selbst umgehe, hat also auch Auswirkungen auf meine Beziehung. Kann ich in stressigen Zeiten mein eigener Freund sein?
Sich gegenseitig Freunde sein
Entscheidend ist aber nicht nur, wie ich selbst mit Stress und Belastung umgehe, sondern auch, ob wir uns als Paar gegenseitig unterstützen können. Nach dem Vorfall mit meinem Arbeitskollegen reichte ein Spaziergang an der frischen Luft nicht aus und ich wollte das Erlebte mit meiner Partnerin teilen (die meinen Stress wahrscheinlich sowieso gespürt hat). Diese emotionale Selbstöffnung ist auch wichtig, damit wir uns als Paar nahe und verbunden bleiben. Es gibt verschiedene Arten, wie meine Partnerin auf meinen (verbal oder nonverbal mitgeteilten) Stress reagieren kann: Sie kann mich bei der Lösung des Problems unterstützen, indem sie beispielsweise mit mir nach Lösungsmöglichkeiten sucht und wir uns überlegen, wie ich auf meinen Arbeitskollegen zugehen könnte. Sie kann mir bei der Bewältigung meiner Gefühle helfen, indem sie mir sagt, dass sie mich versteht und glaubt, dass ich sicher eine gute Lösung finden werde oder mich in den Arm nimmt. Oder sie kann mich entlasten, in dem sie mir beispielsweise anbietet, heute die Kinder alleine ins Bett zu bringen, damit ich mich ein wenig erholen und nachdenken kann. Manchmal reagiert unser Gegenüber aber auch negativ auf Stressäusserungen. Je nachdem, wie ich meinen Stress kommuniziere, in welcher Stimmung meine Partnerin selbst ist und wie es um unsere Beziehung gerade steht, kann es auch sein, dass sie nur ganz oberflächlich auf mich eingeht oder sogar abwertende Bemerkungen macht („wenn du das Projekt schon unbedingt wolltest, musst du jetzt halt mit den Spannungen fertig werden“). Studien haben gezeigt, dass eine positive Unterstützung wahrscheinlicher ist, wenn der Stress explizit und verbal mitgeteilt wird. Je genauer und klarer ich also mitteilen kann, wie es mir geht und was ich mir vielleicht auch von meiner Partnerin wünsche, desto besser kann sie mich unterstützen. Ob sie weiss, wie ich mich fühle und was ich brauche, hat nämlich ziemlich wenig damit zu tun, wie fest sie mich liebt, sondern vielmehr damit, wie gut ich es ihr vermitteln kann.
1 – 2 – 3
Professor Bodenmann hat daher die 3-Phasen Methode der gemeinsamen Stressbewältigung entwickelt. Diese wird auch im Rahmen von paarlife gelehrt und eingeübt. In der 1. Phase geht es darum, dass ich meiner Partnerin meinen Stress mitteile. Dabei ist weniger die detaillierte Beschreibung der Tatsachen und Ereignisse wichtig, sondern dass ich herausarbeite, weshalb die Situation mich so gestresst hat. Was habe ich in der Situation gefühlt und gedacht? In dieser ersten Phase sollte das Gegenüber aufmerksam und wohlwollend zuhören, ohne bereits Tipps und Ratschläge zu geben. Es kann hilfreich sein, wenn meine Partnerin zwischendurch kurz zusammenfasst oder zurückmeldet, was sie verstanden hat. In der 2. Phase folgt dann die emotionale Unterstützung durch das Gegenüber. Auch problembezogene Ratschläge können sinnvoll sein (allerdings erst in einem zweiten Schritt). Hier ist es wichtig, sich an den Bedürfnissen des gestressten oder belasteten Partners zu orientieren. In der 3. Phase kann ich dann zurückmelden, wie die Unterstützung für mich war. Das hilft uns beiden, in der gemeinsamen Stressbewältigung besser zu werden. Was vielleicht auf den ersten Blick etwas technisch klingt, hat sich als sehr effektives Vorgehen erwiesen und kann uns helfen, uns im Alltag bewusst Zeit für die Sorgen und Nöte des Anderen zu nehmen und uns dabei auch tatsächlich zu unterstützen. Schliesslich ist mein Stress fast immer auch der Stress meiner Partnerin und umgekehrt. Und diesen gemeinsam zu bewältigen schweisst uns als Paar zusammen! In diesem Beispiel ist meine Partnerin die Unterstützende, aber natürlich ist ebenso wichtig, dass ich in anderen Situationen auch ihr im Umgang mit ihrem Stress helfe. Nur wenn Geben und Nehmen langfristig ausgeglichen sind, können wir uns ein wirkliches Gegenüber sein.
Anders und doch gemeinsam
Bei Stress, der uns beide direkt betrifft, ist es umso schöner, wenn wir ihn gemeinsam bewältigen können. Auch hier kann der Fokus eher auf dem gemeinsamen Problemlösen (gemeinsame Informationssuche und Abgleich des Wissens, gemeinsame Lösungsschritte planen) oder auf der gemeinsamen Emotionsregulation durch wohlwollenden Austausch zum Problem, wechselseitige emotionale Selbstöffnung, gemeinsame beruhigende Aktivitäten (Entspannungsbad, Musizieren, gemeinsamer Spaziergang), gemeinsame Entspannungsrituale oder Zärtlichkeit liegen. Oft braucht es auch beides. Wir sollten uns allerdings vor Augen halten, dass jeder Mensch unterschiedlich auf Belastungen reagiert. Während ich vielleicht schweigsam werde, kann es sein, dass meine Partnerin das Bedürfnis hat, das Erlebte immer wieder zu besprechen. Hier ist es wichtig, dass wir uns unsere Bedürfnisse mitteilen und uns unsere Unterschiedlichkeit zugestehen.
Mehr zur gemeinsamen Stressbewältigung erfahren sie im Paarlife-Kommunikationstraining oder im Buch Beziehungskrisen – erkennen, verstehen und bewältigen von Prof. Dr. Guy Bodenmann, auf das sich dieser Artikel bezieht.
(Die Beispiele im Text sind fiktiv)
geschrieben von Noëmi Ruther
Ich, Du und Wir
Jede Paarbeziehung ist ein kleines Wunder. Denn eigentlich ist das Ganze unglaublich kompliziert: Zwei Menschen starten ein grosses spannendes Projekt mit ungewissem Ausgang. Denn auch wenn diese zwei Menschen noch so wesensverwandt sind, werden sie sich in vielem unterscheiden: Sie haben eine eigene Biographie, unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen an eine Beziehung und meist ein anderes Geschlecht. Diese Unterschiede machen das Abenteuer Partnerschaft zu einer spannenden und wunderschönen, aber auch anspruchsvollen Angelegenheit. Damit dieses Abenteuer trotzdem gelingen und eine starke Beziehung entstehen kann, braucht es ein starkes Wir-Gefühl. Doch Letzteres entsteht nicht von selbst. Ein starkes Wir-Gefühl bedeutet, dass ich mich voll und ganz auf meinen Partner verlassen kann. Aber auch, dass es mir weh tut, wenn es ihm schlecht geht, weil er Stress mit seinem Chef hat. Es bedeutet, dass wir uns als Paar als Einheit definieren – ohne dabei das eigene Ich völlig zu verlieren. Dieses Wir-Gefühl ist das Fundament, auf dem eine Beziehung steht. Je stärker unser Fundament, desto grösser die Widerstandsfähigkeit unserer Partnerschaft in stürmischen Zeiten.
Das Wir
Eine Beziehung ist wie eine grosse Reise. Gemeinsam mit dem Partner entdecke ich neue Länder, lerne Menschen kennen und erlebe Abenteuer. Mal übernehme ich das Steuer, dann wieder mein Partner. Als Paar schreiben wir auf dieser Reise unsere ganz persönliche Geschichte. Es gibt Höhen und Tiefen, und vielleicht verlieren wird uns sogar mal aus den Augen, um uns später wieder zu finden. Damit das Wir-Gefühl auf der Beziehungsreise wachsen kann, braucht es Teamgeist und die Entscheidung, dass wir als Paar am gleichen Strick ziehen wollen. Das geht nur, wenn meine eigenen Bedürfnisse nicht immer zuerst kommen, sondern ich mich frage: Was wäre für uns als Paar jetzt am besten? Was können wir tun, damit es uns als Paar gut geht? Wie können wir bei einem Konflikt beide gewinnen? In einer Paarbeziehung gibt es nie einen Gewinner und einen Verlierer. Entweder verlieren wir beide oder beide gewinnen.
Wir haben Zeit
Um ein gutes Team zu werden braucht es Zeit! Zeit, um sich besser kennen zu lernen und Zeit, um die gemeinsame Geschichte zu schreiben. Wenn ich mir überlege, was meine schönsten Erinnerungen an meine Eltern sind, denke ich an Situationen, in denen mein Vater oder meine Mutter sich besonders viel Zeit für mich genommen haben. Auch in der Partnerschaft gilt: Das Schönste, das ich meinem Partner schenken kann, ist Zeit und Aufmerksamkeit! Dabei gibt es keine Zauberformel, mit der man ausrechnen kann, wie viel Zeit man als Paar braucht, um ein starkes Wir-Gefühl aufzubauen und zu bewahren. So wie jeder Mensch, ist auch jede Beziehung einzigartig. Als Paar müssen wir lernen, zu spüren und auch auszuhandeln, wie viel Paarzeit für beide wichtig und richtig ist. Es ist nicht gleich viel wie bei unseren Freunden oder Nachbarn. Aber wenn zu wenig Zeit und Aufmerksamkeit da ist, kann die Beziehung nicht stark werden. Nicht in jeder Lebensphase haben wir gleich viel Zeit füreinander, das ist ok. Wichtig ist, dass wir als Paar immer wieder über unsere Bedürfnisse sprechen und gemeinsam eine Vision für unser Zusammensein entwickeln.
Das Ich und das Du
Als Paar ein gutes Team zu sein, heisst nicht, mich selbst und meine Bedürfnisse zu verleugnen. Ich will nicht nur dem Partner, sondern auch mir selbst treu sein. Und ebenso wenig soll mein Partner sich untreu werden. Denn wer keine eigene Identität hat und nicht über seine Wünsche und Ziele Bescheid weiss, ist letztlich auch für den Partner uninteressant. Wenn wir ehrlich sind, wünschen sich doch die meisten von uns einen Partner mit klaren Vorstellungen und Bedürfnissen, mit Ecken und Kanten. Ein Fähnlein im Wind ist unattraktiv, auch wenn dadurch vielleicht mancher Konflikt vermieden werden kann. Konturen, klare Meinungen und Ansichten zeugen von einer eigenen Persönlichkeit, von Charakterstärke und Zielstrebigkeit. Und das ist attraktiv!
Ich mit Dir
Auch hier gibt es keine Zauberformel, die besagt, wann man auf die eigenen Bedürfnisse pochen soll und was die Konsequenzen für die Beziehung sind. Die Prioritätensetzung zwischen meinen persönlichen Bedürfnissen und den Bedürfnissen meines Partners ist ein konstanter Prozess. Egal ob es darum geht, das Wochenende zu planen, ein Auto zu kaufen, die Pille abzusetzen oder getrennte Schlafzimmer einzuführen – das Entscheidungsteam besteht schlussendlich aus zwei Personen. Darum besser vorher die Optionen und vor allem auch die Konsequenzen gemeinsam diskutieren. Eine Beziehung braucht Raum in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft. Dazu gehört gemeinsame Erinnerungen zu pflegen, im Hier und Jetzt füreinander Zeit zu schaffen und zusammen und gleichberechtigt die Zukunft zu planen!
Mehr dazu im Buch: „Was Paare stark macht – Das Geheimnis glücklicher Beziehungen“, von Prof. Dr. G. Bodenmann und C. Fux, erschienen im Beobachter Buchverlag.
geschrieben von Noëmi Ruther
Krisen
Krisen gehören dazu
Fast alle Paare haben irgendwann eine Beziehungskrise. Wenn wir in einer Krise sind, heisst das noch nicht, dass wir eine schlechte Beziehung haben. Zwischendurch zu streiten kann unserer Beziehung sogar einen gewissen Schwung geben – wenn wir uns dabei nicht zu fest verletzten und es schaffen, weiterhin konstruktiv über Dinge zu reden. Wenn wir aber immer wieder oder wirklich lange Beziehungskrisen haben, sollten wir uns schon Gedanken machen. Dann müssen wir etwas an unserem Umgang miteinander ändern. Und wenn wir es nicht selbst schaffen (was manchmal ganz schön schwierig ist), wäre es vielleicht doch an der Zeit, uns Hilfe von aussen zu holen. Es ist wirklich schade, dass viele Paare erst zu spät in eine Therapie gehen oder, noch besser, früher ihre Paarkompetenzen stärken. Deshalb zeigen Studien auch, dass Paartherapien nur bei gut der Hälfte der Paare helfen. Weil viele einfach zu lange warten. Denn eigentlich können Krisen uns als Paar weiterbringen, indem sie uns Denkanstösse geben und uns helfen, uns weiterzuentwickeln. Aber dazu müssen wir Krisen rechtzeitig erkennen (1), die Einsicht haben, dass wir selbst etwas tun können (2) und dann noch das Richtige tun (3).
Alarm! (1)
Es gibt tatsächlich erste Alarmzeichen, die darauf hinweisen, dass aus einer kurzen eine längere Krise wird: Zum Beispiel wenn sich mein*e Partner*in immer mehr zurück zieht oder ich emotional sehr distanziert werde, mich nur noch in die Arbeit flüchte und Konflikte vielleicht sogar vollkommen vermeide und mich gar nicht mehr auf den anderen einlasse. Aber auch wenn ich immer nörgle oder mein* Partner*in mich oft auf verletzende Weise kritisiert.
Ich beginne (2)
Wahrscheinlich ist es keine gute Idee, wenn ich warte, bis mein*e Partner*in den ersten Schritt tut. Wenn ich die Beziehung retten will, muss ich mir selbst überlegen, wie ich zur Verbesserung unseres Paarklimas beitragen kann. Auch wenn mir im ersten Moment vor allem einfällt, was mein*e Partner*in alles verändern müsste.
Es muss ja nicht alles schlimm sein (3)
Besonders in schwierigen Zeiten ist es wichtig, dass wir weiterhin auch schöne Momente zu zweit erleben können. Ein Ausflug in die Natur oder ein Abend im Restaurant kann schon einen kleinen Unterschied machen. Es braucht Dinge, die den Trott durchbrechen. Das kann etwas noch so Kleines sein, vielleicht eine Flasche Wein oder das Lieblingsdessert meines*r Partner*in, das ich nach der Arbeit nachhause bringe. Noch schöner sind manchmal immaterielle Gesten: Wann habe ich meinem*r Partner*in das letzte Mal einen Kaffee ans Bett gebracht oder am Wochenende frische Gipfeli geholt, während er unter der Dusche stand? Auch wenn mir momentan vielleicht nicht danach ist, manchmal sind solche Gesten einfach eine Entscheidung. Irgendwo muss man beginnen, um den Teufelskreis zu durchbrechen. Und positives Verhalten regt positives Verhalten an. Es kann auch ermutigend sein, uns gemeinsam an frühere Zeiten zu erinnern, in denen wir in unserer Beziehung aufgeblüht sind. Vielleicht können wir die aktuellen Probleme etwas relativieren, wenn wir uns in einem grösseren Kontext sehen und daran anknüpfen, was wir schon alles zusammen erlebt und gemeistert haben. Manchmal ist es schön, dass wirklich aktiv zu tun. Zu zweit auf dem Sofa mit einem Glas Wein: Wie war es, als wir uns kennengelernt haben, unsere ersten Ferien, die erste gemeinsame Wohnung...?Diese Reise mit Fotos zu machen, kann helfen beim Positiven zu bleiben.
So wie du bist
Ja, wir sind unterschiedlich. Das ist auch ein Grund, weshalb wir uns am Anfang voneinander angezogen gefühlt haben. Doch manchmal werden die Unterschiede nach einiger Zeit zu einer ständigen Quelle von Konflikten. Das muss aber nicht sein! Wenn ich den Wunsch aufgeben kann, den Anderen zu ändern, wird sich paradoxerweise viel mehr in unserer Beziehung verändern. Denn wenn sich mein*e Partner*in akzeptiert fühlt, wie er*sie ist, wird er auch offener sein, sich selbst zu verändern, ohne sich unterlegen oder unter Druck zu fühlen.
Reden lernen
Wenn ich den Eindruck bekomme, dass wir es irgendwie nicht schaffen, persönlich und konstruktiv miteinander zu reden und ich mir eine bessere Kommunikationskultur wünsche, kann ein Training wie das Angebot von Paarlife sinnvoll sein. Ziel eines solchen Trainings ist, als Paar im Austausch unterstützt zu werden und Kompetenzen im Umgang mit Stress, Konflikten und Krisen aufzubauen.Die positiven Effekte eines solchen Trainings halten über viele Jahre an und können die Basis für eine stabile und glückliche Beziehung schaffen bzw. stärken. Wenn ich jedoch denke, dass wir uns in einer akuten und schweren Krise befinden, ist eine Paartherapie für uns sinnvoller als das Training.
geschrieben von Noëmi Ruther
Let's enjoy the sun baby
Die Sonne scheint wieder länger, alles beginnt zu blühen, der Frühling ist da! Die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren und den Frühling bewusst zu erleben, ist ein Genuss für Körper und Seele. Jeder Genussmoment ist eine Mini-Auszeit von akuten Belastungen und somit ein ideales Gegengewicht gegen Stress. Solche Augenblicke zu zweit zu geniessen ist besonders bereichernd.
sehen, riechen, schmecken, hören, fühlen
Wir können über alle fünf Sinne genießen und so Glücksgefühle erleben. Mit meiner Partnerin die Welt mit unseren Sinnen zu erleben und zu genießen, ist meist nicht teuer und verbindet uns. Außerdem beginnt Sex nicht erst im Schlafzimmer. Sinnlichkeit im Alltag kann unser Paarleben und unser Sexleben bereichern. Berührungen und liebevolle Küsse im Alltag helfen, dass wir uns nahe bleiben, auch wenn wir nicht jeden Tag Sex miteinander haben. Aber auch ein gutes Essen zu zweit oder ein Glas Wein am Abend können uns im Alltag kleine Genussoasen schaffen. Freude und Genuss können wir manchmal durch ganz kleine Dinge erleben: Musik, Klänge oder Stimmen können das Herz erfreuen, stärken, trösten oder uns zur Ruhe kommen lassen. Wann sind wir das letzte Mal am Sonntag liegengeblieben und haben zusammen dem Regen zugehört? Oder haben uns auf einem Spaziergang auf eine sonnige Bank gesetzt und den plätschernden Fluss beobachtet? Auch Gerüche können mich mit meiner Partnerin verbinden. Der erste Frühlingsduft, der mich an unsere ersten gemeinsamen Ferien erinnert. Der Duft nach reifen Tomaten, der an die Tomatensuppe denken lässt, die es in unserem Lieblingsrestaurant gibt. Genussmomente sind ein Geschenk und sie kommen oft, wenn wir sie nicht erwarten. Wir müssen sie nur noch bemerken und voll auszukosten.
Mehr dazu im Buch „Stark gegen Stress“ von Christine Klingler Lüthi und Guy Bodenmann.
geschrieben von Noëmi Ruther
Let's talk about sex
Topic Nr.1
Für viele Menschen gehört Sex zu einer glücklichen Beziehung mit dazu. Schliesslich spricht ja auch jede Werbung und jeder Film davon, wie wichtig Sex doch ist. Leider haben diese Bilder nur all zu oft nicht sehr viel mit dem tatsächlichen Leben zu tun. Aber wie wichtig ist Sex wirklich? Und wie wichtig ist er für mich oder für uns? Und was ist „guter“ Sex? Ist es möglich, auch in langfristigen Beziehungen eine für beide Partner befriedigende Sexualität zu leben?
Sex TROTZ Partnerschaft
Studien haben gezeigt, dass Zufriedenheit mit der Partnerschaft und Zufriedenheit mit der Sexualität zusammenhängen. Die Frage nach dem Huhn und dem Ei lässt sich aber kaum beantworten: Leidet die Zufriedenheit, weil das Paar den Sex nicht als befriedigend erlebt wird oder zeigt sich im Sexleben, was in der Paarbeziehung nicht gut läuft? Oft ist es eine Art Kreislauf: Beziehungsprobleme führen zu einem weniger befriedigendem Sexleben und das wiederum macht die Beziehungsprobleme auch nicht gerade kleiner. In der Paarberatung sieht man aber auch oft den anderen Kreislauf: Probleme mit dem Sexleben bessern sich meist spontan, wenn Paare ihre Beziehungsprobleme angehen. Kurz: Wenn ich meiner Partnerschaft etwas zuliebe tue, tue ich eigentlich immer auch etwas für unser Sexleben.Wie wichtig Sex in unserer Beziehung ist und was „guter Sex“ überhaupt bedeutet, muss ich für mich und wir für uns als Paar beantworten. Wir müssen schlussendlich alle einen eigenen Weg finden, um eine befriedigende Sexualität leben zu können. Wichtig ist dabei wieder einmal: Miteinander reden! Denn ich muss die Bedürfnisse meines Partners zuerst einmal kennen und verstehen und emotionale Intimität schaffen, wenn es auch im Bett längerfristig klappen soll.Am Anfang ist der Sex meist aufregend und prickelnd. Aber sind wir ehrlich, eine gewisse Gewohnheit schleicht sich ein und manchmal haben wir einfach nicht mehr so viel Lust wie am Anfang. Dann gibt es diese stressigen Phasen, der Job, die Kinder und alle anderen Verpflichtungen. Kann es sein, dass wir zwar vielleicht ein gutes Team sind, aber Nähe, Austausch und Zärtlichkeit irgendwie auf der Strecke geblieben sind? Beim Sex ist es wie allgemein in der Beziehung: Dauerhaftes Glück und Zufriedenheit kommen nicht von selbst! Als Paar müssen wir auch dem Sex Raum und Priorität geben und uns für unser Sexleben einsetzten.
Tipps & TricksSex hat heute Vorrang
Wenn man verliebt ist, findet Sex spontan statt. In längeren Beziehungen müssen wir uns manchmal für Sex entscheiden. Dafür, dass er in bestimmten Momenten Vorrang hat und dann andere Dinge verschoben werden. Manchmal müssen wir uns wirklich entscheiden, nicht den Sex zu verschieben. Klingt banal, ist aber in der Umsetzung nicht einfach, wenn ich den Eindruck habe, heute Abend unbedingt noch etwas erledigen zu müssen. Aber irgendwann bleibt dann einfach keine Energie und Lust mehr für Sex. Obwohl wir doch eigentlich beide wieder mehr Sex wollten.
Time for Sex
Damit ES passiert, braucht es Zeit und Musse. Natürlich kann es auch mal zwischendurch ohne Kerzen und Champagner passieren. Aber wir brauchen auch immer wieder Momente, in denen wir uns wirklich ganz aufeinander einlassen können. Auch wenn das vielleicht für manche umständlich klingt, manchmal braucht es ein fixes Date. Das kann sogar ziemlich prickelnd sein und Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude. Ein paar Fragen lohnen sich: Welche Atmosphäre ist uns bei Begegnungen zu zweit wichtig? Wie können wir den Raum und die Zeit, die wir haben, attraktiv gestalten? Haben wir solche Paar-Inseln, nur für uns?
Mal so mal so
Ja, Sex braucht Abwechslung. Natürlich haben wir irgendwann eine gewisse Routine beim Sex. Aber es muss nicht langweilig werden. Um Abwechslung zu bekommen, muss ich mich nicht plötzlich für völlig abstruse Praktiken interessieren. Es gibt tausend kleine Dinge, die wir mal anders machen können: Vielleicht einmal ein anderes Zimmer, eine andere Stellung, im Stehen oder auf einem Stuhl, vielleicht nicht immer abends um 10, sondern mal am Sonntagmorgen oder nach der Arbeit bevor wir den ganzen Stress vom Tag und alle weiteren To Dos besprechen? Und vielleicht gibt es ja doch irgendeine Phantasie, die ich oder mein Partner schon lange mal ausprobieren möchten? Experimentieren ist toll, aber natürlich müssen sich beide wohl fühlen. Und es muss auch nicht immer das volle Programm sein: Auch Streicheln, Küssen oder eine Massage schaffen Nähe. Sprechen wir als Paar darüber, was wir uns beide im Moment wünschen: Romantik, Zärtlichkeit, Sinnlichkeit oder Leidenschaft...
Der „unperfekte“ Moment
Viele Paare verstricken sich in ihrer Vorstellung des „perfekten Moments“. Es können ganz schön viele Dinge sein, die passen müssen: Ich muss Energie haben, die Küche muss gemacht sein, alle Emails verschickt, die Haare frisch gewaschen und die Kinder mindestens schon eine halbe Stunde schlafen – um nur ein paar Punkte der imaginären Liste zu nennen. Die von meinem Partner ist vermutlich eben so lang. Das heißt aber auch, dass der Sex, wenn er denn stattfindet, auch besonders toll sein muss. Und das macht Druck. Wie wäre es, wenn wir uns sagen, dass Sex nicht immer überwältigend sein muss? Manchmal ist er auch einfach nur mittelmäßig und manchmal klappt es auch gar nicht. Trotzdem biete Sex eine Möglichkeit, uns auf intime Weise zu begegnen. Vielleicht schaffen wir es, uns doch immer wieder einzulassen, auch wenn nicht alle Punkte der Liste erfüllt sind und auch wenn der Sex nicht immer gleich gut ist. Denn wenn wir uns Druck wegnehmen, wird der Sex von selbst besser....
Die Last der Lust
Lust und Sex gehören in unserem Denken zusammen. Aber wenn ich vielleicht schon lange mit meinem Partner zusammen bin, ist die Lust nicht unbedingt mehr mein steter Begleiter. Doch wenn wir uns entschließen, dass wir als Paar wieder mehr Sex möchten, sollten wir vielleicht einfach mehr Sex haben. Das klingt erstmals etwas kontraintuitiv: Sex ohne Lust? Doch tatsächlich führt regelmäßigerer Sex oft zu mehr Lust. Und vielleicht hilft es uns ja auch zu überlegen, auf welche Art von Sex wir denn Lust hätten. Es muss ja nicht der gleiche Sex sein wie am Anfang – vielleicht ist er sanfter, kürzer oder unkonventioneller....
Wenn es nicht klappt
Es gibt Dinge, die unser Sexleben ganz schön mitnehmen können: Dauerhafte sexuelle Unlust, langfristige Erektions - oder Orgasmusstörungen oder Schmerzen beim Sex können uns das Sexleben zeitweilig sogar verunmöglichen. Das kann ganz schön belastend sein – für beide. Doch genau für solche Situationen gibt es medizinische und psychologische Unterstützungsmöglichkeiten. Wenn ich nicht mehr weiter weiss, ist es mutig, richtig und ein Liebensbeweis, wenn ich mir bei einem Arzt, Sexual- oder Psychotherapeuten Hilfe holen. Lieber zu früh als zu spät. Schon viele Paare haben so eine Wende in ihrer Beziehung erfahren.
geschrieben von Noëmi Ruther
Partnerschaft und Depression
Was Beziehung mit Depression zu tun hat
Wieso ist es so wichtig, dass ich mir Hilfe hole, wenn ich in meiner Beziehung dauernd unzufrieden bin? Wir wissen alle, dass langfristige Paarkonflikte zu starkem emotionalen Stress führen. Wenn dann noch starker Alltagsstress dazu kommt oder wir Schicksalsschläge erleiden, kann Beziehungsstress zur Entwicklung einer Depression oder einem Rückfall beitragen. Depressionen sind nebst Angststörungen die häufigsten psychischen Erkrankungen. Frauen sind davon etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Die Qualität der eigenen Beziehung kann ein Risikofaktor für Depressionen darstellen und einen Einfluss auf den Beginn, die Dauer und Schwere der Erkrankung sowie das Rückfallrisiko haben. 70% der Frauen* mit einer klinischen Depression gaben in einer Studie an, dass Paarkonflikte der Depression vorangegangen sind und 60 % der Depressiven nannten chronische Paarprobleme als Hauptursache für ihre Depression.
Wie wir uns beeinflussen
Wenn ich oder mein*e Partner*in depressiv sind, funktioniert die Kommunikation, das gemeinsame Problemlösen und die gemeinsame Stressbewältigung meist nicht mehr so gut. Das sind aber alles wichtige Aspekte, um als Paar zufrieden zu bleiben. Wenn mein Partner depressiv ist, passiert es schnell, dass wir uns beide weniger öffnen, unterstützen (emotional aber auch konkret), Diskussionen vermeiden und nicht mehr gemeinsam nach Lösungen suchen. Die Hoffnungslosigkeit, Reizbarkeit, Unruhe und Traurigkeit meines Partners haben auf die Dauer eine Auswirkung auf mich und auf das Klima zwischen uns. Ich ermüde und das anfängliche Verständnis verschwindet mit der Zeit und ich kritisiere oder ziehe mich zurück. Und so schliesst sich der Teufelskreis. Mein depressiver Partner fühlt sich in seinen Ängsten und seiner Hoffnungslosigkeit bestätigt und denkt, dass er nichts wert ist, nichts kann, nicht verstanden, nicht geliebt und abgelehnt wird. Deshalb klagt er vielleicht dann sogar noch mehr, wird noch resignierter...Die Trennung wird oft nicht freiwillig gewählt. Sie bleibt als letzter Weg, wenn die Ressourcen erschöpft sind und das Zusammenleben für beide unerträglich geworden ist. Doch eine Trennung ist fast immer auch eine schmerzliche Erfahrung und bringt bei beiden das psychische Gleichgewicht durcheinander. Doch was kann ich für mich, meine*n Partner*in und unsere Partnerschaft tun, um nicht in diesen Teufelskreis zu geraten? Ein tragfähiges soziales Netz und insbesondere eine befriedigende Partnerschaft gehören zu den stärksten Schutzfaktoren gegen Depressionen. Mich aktiv für meine Beziehung einzusetzen, sie zu stärken und unsere Zufriedenheit zu erhalten, hilft also auch, dass es mir selbst besser geht und kann mich und meinen Partner vor Erkrankung und Rückfällen schützen.
Eine*n depressive*n Partner*in lieben
Was aber, wenn mein* Partner*in tatsächlich depressiv ist? Es gibt ganz viele Gründe, wieso wir an einer Depression erkranken und auch wenn langfristige Partnerschaftsschwierigkeiten zu einer Depression beitragen können, heisst das nicht, dass ich für die Depression meines Partners verantwortlich bin! Bei einer Depression spielen ganz viele Faktoren zusammen: Von der genetischen Disposition, Erfahrungen, die wir im Leben gemacht haben, bestimmten Gedankenmustern, die wir erlernt haben über Schicksalsschläge zu biologischen Aspekten. Der Umgang mit einem depressiven Partner ist nicht einfach. Doch es gibt ein paar Hilfestellungen, die dazu beitragen können, dass es beiden Partnern in der Partnerschaft besser geht:
- Wenn ich meinem*r Partner*in zuhöre, kann ich versuchen, für das Verständnis zu zeigen, was ihn belastet und nicht für sein Klagen oder Weinen, sonst können wir beide in die negative Stimmung hineingeraten.
- Wenn ich mich um Verständnis bemüht habe, darf ich ruhig auch Gegengewicht zu den negativen Gedanken und Erwartungen des*r Geliebten geben, ohne ihm dabei meine Meinung aufzudrängen.
- Es kann uns sehr helfen, die Abmachung zu treffen, dass wir solche schwierigen Gespräche zeitlich begrenzen, z. B. auf eine halbe Stunde. Dann ist es für beide viel leichter, sich für diese begrenzte Zeit wirklich auf den anderen einzulassen und sich gut zuzuhören.
- Damit die Schwere der Depression unsere Beziehung nicht erdrücken kann, brauchen wir Inseln des gemeinsamen Vergnügens, der Erholung und Regeneration. Was machen wir eigentlich gerne zusammen? Was könnten wir wieder einmal unternehmen? Was ist trotz der Depression möglich? Ich kann versuchen mit meinem Partner angenehme und lustvolle Aktivitäten (die möglich sind) aufzubauen. Vielleicht müssen wir dabei ein bisschen kreativ sein, um auf gute Ideen zu kommen.
- Oft ist es hilfreich im Vorfeld gemeinsam Strategien für „Grübelsituationen“ zurechtzulegen. Wie kann mein Partner und wie kann ich reagieren, wenn wieder ein depressiver Schwall kommt? Wir können beispielsweise eine Notfallliste von Aktivitäten erstellen, die Ablenkung bieten, um nicht in den negativen Gefühlsstrudel hineinzukommen.
- Ich darf meine*n Partner*in ohne Vorwürfe animieren, etwas zu unternehmen und mit mir nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Die Verantwortung sollte ich aber letztendlich ihm überlassen.
- Bei aller Unterstützung darf ich nicht vergessen, auf mich selbst Acht zu geben. Wie geht es eigentlich mir und was sind meine Bedürfnisse?
- Dazu gehört auch, dass ich nicht alles alleine machen kann und muss. Ich darf auch gewisse Unterstützung delegieren – an die Selbsthilfegruppe, den Arzt oder den Psychotherapeuten.
- Und wenn ich wirklich unglücklich mit meiner Beziehung bin, sollte ich meinen Mut zusammennehmen und mir professionelle Hilfe holen. Je früher, desto besser für mich und meine Partnerschaft.
geschrieben von Noëmi Ruther
Quality Time
Ein kleiner Disput mit dem Chef, eine kranke Tochter, die nicht in die KiTa kann, ein angebranntes Essen kurz bevor die Gäste kommen, ein schwieriges Gespräch mit einem Kunden... Kommt dir bekannt vor? Für sich alleine sind diese Dinge alle nicht so schlimm. Aber in der Summe können sie irgendwann ganz schön belastend werden.
Mein ganz normaler Wahnsinn
Mein letzter Monat war voller solcher Momente: Bei der Arbeit gab es einige Pannen und zuhause herrschte Notstand, weil unsere Tochter krank war, die Geschirrspülmaschine ausfiel und meine Schwiegermutter mit einem Oberschenkelhalsbruch ins Spital musste. Dann noch die Nachricht, dass mein*e Partner*in jetzt doch nur eine, statt zwei Wochen Sommerferien erhält, worauf es Schwierigkeiten mit den Vermietern der Ferienwohnung gab, weil wir die zweite Woche stornieren wollten. Dazu kamen weitere unglückliche Zufälle, wie eine leere Cornflakes-Packung am Morgen und drei verpasste Trams. Aber am meisten beunruhigt war ich, als ich eines Abends im Bett lag und mich fragte, wann mein*e Partner*in und ich eigentlich das letzte Mal zusammen ausgegangen waren. Wann hatten wir zuletzt ein inspirierendes Gespräch geführt, bei dem es nicht um Stornierungsbedingungen, Spitalbesuche oder Termine mit dem Handwerker ging? Sex lag zwar zwischendurch noch drin, aber wir hatten auch schon häufigere und ausgelassenere Zärtlichkeit genossen. Diese Gedanken machten mich ziemlich unzufrieden.
Verpasste Züge, stressige Sitzungen, einkaufen mit den Kindern im vollen Supermarkt – diese Dinge gehören doch zum Alltag dazu. Nicht viel dabei, oder doch? Im Folgenden geht es darum weshalb und wie solche Situationen einen Einfluss auf unsere Partnerschaft haben...
Die Studie
Ähnliche Fragen haben sich nämlich vor ein paar Jahren auch eine Forschergruppe um Professor Bodenmann gestellt (Milek, Randall, Nussbeck, Breitenstein & Bodenmann, 2017). Dabei hatten sie genau diese Stresssituationen, die auch meinen letzten Monat bestimmt haben, im Auge. Im Fachjargon ausgedrückt chronic minor external stress (CMES) – minor, weil damit nicht grosse Schicksalsschläge gemeint sind (sondern eben diese mehr oder weniger alltäglichen Widrigkeiten) und external, weil der Stress von ausserhalb der Paarbeziehung kommt und nicht Streitigkeiten oder Differenzen innerhalb eines Paars gemeint sind. Es ist jedoch bekannt, dass zu viel Stress von ausserhalb der Beziehung seinerseits Auswirkungen auf die Partnerschaft und somit auch Beziehungsunzufriedenheit zur Folge haben kann. Folgendes haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersucht:
Erstens wollten sie überprüfen, ob der negative Zusammenhang von Stress und Beziehungszufriedenheit über die gemeinsam verbrachte Zeit der Partner*innen vermittelt wird, im Sinne von Stress -> weniger gemeinsame Zeit -> Unzufriedenheit. Zweitens fragen sie sich, ob es dabei zwischen der Quantität und der Qualität der gemeinsam verbrachten Zeit zu unterscheiden gilt. Drittens wollten sie herausfinden, ob es zwischen Frauen und Männern Unterschiede gibt. Denn bisherige Befunde legen nahe, dass Frauen stärker unter Stress leiden (z. B Hamermesh, 2008) und Letztere der gemeinsamen Zeit mit dem Partner auch grössere Wichtigkeit beimessen als dies Männer tun (z.B Smith, Synder, Trull & Monsma, 1988).
Die Studie wurde in Nordrheinwestfalen (DE) als Teil eines grösseren Forschungsprojekts durchgeführt. Teilnehmen konnten Paare, die mindestens ein Kind im Alter zwischen 16 und 21 Jahre hatten und seit mindestens einem Jahr in einer heterosexuellen festen Partnerschaft lebten. Insgesamt wurden Daten von 90 Paaren ausgewertet. Die Partner waren zwischen 39 und 68 Jahre alt und im Schnitt seit 25 Jahren zusammen (87 % verheiratet). 67 % wohnten mit einem oder mehreren Kindern zusammen.
Die teilnehmenden Personen wurden mittels eines Codes anonymisiert und füllten unabhängig von der Partnerin oder dem Partner einen Onlinefragebogen aus. Dieser enthielt Fragen zur gemeinsamen Zeit als Paar (unter der Woche und am Wochenende, basierend auf der letzten Woche). Im Durchschnitt berichteten die Paare von 4.84 gemeinsam verbrachten Stunden unter der Woche. Weiter wurde die Qualität der gemeinsam verbrachten Zeit erfasst: Dazu sollten sie angeben, wie oft sie während einer Woche verschiedene gemeinsame Aktivitäten ausführten (1= nie bis 5 = sehr oft), wie zum Beispiel „gemeinsam einkaufen“ oder „fernsehen“. Weiter wurden sie gefragt, ob für sie eine Aktivität das Potential hatte, das „Wir-Gefühl“ in ihrer Partnerschaft zu stärken. „Quality Time“ wurde ermittelt, in dem die Forschenden schauten, wie oft Aktivitäten ausgeführt wurden, die von über 90 % der Personen als Aktivitäten mit Potential zur Förderung des Wir-Gefühls eingestuft worden waren. Dazu gehörten folgende Aktivitäten: Gemeinsame Mahlzeiten, zusammen ausgehen, sich über den Tag austauschen, wichtige Themen besprechen, körperlich zärtlich und intim sein. Durchschnittlich hatten die Paare während einer Woche oft gemeinsame Quality Time (Mittelwert 3.82). Weiter wurde gefragt, wie oft die Person in den letzten zwölf Monaten die bereits erwähnten CMES erlebt hatte (Alltagsstress, Probleme mit den Nachbarn, Stress im Job etc.) (1 = überhaupt nicht bis 4 = oft). Zum Schluss wurde mittels sieben Fragen die Beziehungszufriedenheit erfasst. Um keine verzerrten Ergebnisse zu erhalten, wurde rechnerisch für verschiedene Einflüsse kontrolliert: Dazu gehörte die Anzahl wöchentliche Arbeitsstunden, die Anzahl Kinder im Haushalt, das durchschnittliche Alter der Kinder und die Beziehungsdauer des Paars. Dies sind alles Faktoren, die einen Einfluss auf die untersuchten Zusammenhänge haben könnten.
Resultate
Erstens: Es zeigte sich, dass die gemeinsame Zeit den negativen Zusammenhang von Stress und Beziehungszufriedenheit vermittelte (Stress -> gemeinsame Zeit -> Beziehungszufriedenheit). Allerdings galt dies nur für die Qualität und nicht für die Quantität (also die allgemeine Dauer) der gemeinsam verbrachten Zeit. Es fand sich kein signifikanter Einfluss von Stress auf die Dauer gemeinsam verbrachten Zeit, was bedeutet, dass Paare bei denen einer oder beide Partner gestresst waren, im Durchschnitt nicht weniger Zeit zusammen verbrachten (jedoch weniger Quality Time). Mehr Quality Time ging bei Frauen und Männern mit einer höheren Beziehungszufriedenheit zusammen.
Zweitens: Es muss also zwischen Qualität und Quantität unterschieden werden und auch ihr jeweiliger Einfluss auf die Beziehungszufriedenheit war bei Frauen und Männern nicht ganz gleich. Während bei den Frauen 25 % der unterschiedlichen Ausprägungen in der Beziehungszufriedenheit durch die Qualität der gemeinsam verbrachten Zeit erklärt werden konnte, waren es nur 3 %, welche sich durch die Quantität der verbrachten Zeit erklären liess. Bei den Männern erklärte die Qualität 15 % und die Quantität nur 1 % der Unterschiede zwischen den Männern in Bezug auf ihre Beziehungszufriedenheit.
Drittens: Die vermuteten Unterschiede zwischen Männern und Frauen wurden bestätigt: Der indirekte Weg von Stress über -> gemeinsame Zeit -> Beziehungszufriedenheit zeigte sich so nur bei Frauen, deren Stress sich auf diesem Weg sowohl negativ auf ihre eigene Beziehungszufriedenheit als auch auf die Beziehungszufriedenheit ihres Partners auswirkte. Dies war insbesondere für die Quality Time der Fall. Wie bereits erwähnt, konnte die gemeinsam verbrachte Zeit bei den Frauen einen grösseren Anteil an Varianz in der Beziehungszufriedenheit erklären als bei den Männern. Für viele Frauen scheint solche Quality Time als Paar also etwas Zentrales zu sein, damit sie sich in ihrer Beziehung wohl und zufrieden fühlen.
In Kürze
Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass es nicht einfach darum geht, möglichst viel Zeit mit der Partnerin* oder dem Partner* zu verbringen. Viel mehr geht es darum, wie die gemeinsame Zeit gestaltet wird. Und wie wir unsere Zeit als Paar verbringen, scheint wiederum von unserem Stress beeinflusst zu werden. Denn es zeigte sich, dass Frauen, die über mehr Stress berichteten, insgesamt nicht weniger Zeit mit ihrem Partner verbrachten, jedoch weniger qualitative Momente hatten (wie zusammen ausgehen, sich über den Tag austauschen oder körperlich zärtlich und intim zu sein) und dadurch in ihrer Beziehung auch weniger zufrieden waren. Bemerkenswert ist auch, dass sich der Stress der Frauen nicht nur auf ihre eigene Beziehungszufriedenheit, sondern auch auf die des Partners auswirkte. Es reicht eben nicht, wenn wir uns zwar sehen, aber nur über Stornierungsbedingungen, Spitalbesuche oder Termine mit dem Handwerker reden oder im besten Fall noch nebeneinander 10 vor 10 schauen bevor wir müde ins Bett fallen.
Was nun?
Mein letzter Monat war zum Glück eine Ausnahme. So stressig ist es nicht immer in meinem und unseren Leben! Trotzdem gibt es diese Phasen und nicht immer kann ich sie verhindern. Der vergangene Monat und die Beschäftigung mit dieser Studie haben mir aber gezeigt, dass es gerade in diesen Momenten wichtig ist, meiner Partnerschaft Sorge zu tragen. Gemeinsame Quality Time gibt auch wieder Energie für den Alltag. Es muss nicht immer ein ganzer Abend mit Kino und romantischem Abendessen sein. Schon eine kurze Unterhaltung über den Tag, eine liebevolle Umarmung oder ein kleiner Spaziergang kann in stressigen Zeiten heilsam sein. Ohne diese Momente leidet unsere Beziehung, was zu Konflikten, Entfremdung, Unzufriedenheit und letzten Endes zu noch mehr Stress führt. Wichtig ist auch, dass wir uns bewusst sind, dass jeder anders auf Stress reagiert. Während sich der eine zurückzieht, wird der andere gereizt und verfällt in Aktivismus. Diese unterschiedlichen Strategien haben auch mit unserer Persönlichkeit und mit früheren Erfahrungen zu tun und das ist auch in Ordnung. Und doch ist es wichtig, dass wir uns gerade in diesen Zeiten nicht aus den Augen verlieren!
geschrieben von Noëmi Ruther
Mein ganz normaler Wahnsinn
Mein letzter Monat war voller solcher Momente: Bei der Arbeit gab es einige Pannen und zuhause herrschte Notstand, weil unsere Tochter krank war, die Geschirrspülmaschine ausfiel und meine Schwiegermutter mit einem Oberschenkelhalsbruch ins Spital musste. Dann noch die Nachricht, dass mein*e Partner*in jetzt doch nur eine, statt zwei Wochen Sommerferien erhält, worauf es Schwierigkeiten mit den Vermietern der Ferienwohnung gab, weil wir die zweite Woche stornieren wollten. Dazu kamen weitere unglückliche Zufälle, wie eine leere Cornflakes-Packung am Morgen und drei verpasste Trams. Aber am meisten beunruhigt war ich, als ich eines Abends im Bett lag und mich fragte, wann mein*e Partner*in und ich eigentlich das letzte Mal zusammen ausgegangen waren. Wann hatten wir zuletzt ein inspirierendes Gespräch geführt, bei dem es nicht um Stornierungsbedingungen, Spitalbesuche oder Termine mit dem Handwerker ging? Sex lag zwar zwischendurch noch drin, aber wir hatten auch schon häufigere und ausgelassenere Zärtlichkeit genossen. Diese Gedanken machten mich ziemlich unzufrieden.
Verpasste Züge, stressige Sitzungen, einkaufen mit den Kindern im vollen Supermarkt – diese Dinge gehören doch zum Alltag dazu. Nicht viel dabei, oder doch? Im Folgenden geht es darum weshalb und wie solche Situationen einen Einfluss auf unsere Partnerschaft haben...
Die Studie
Ähnliche Fragen haben sich nämlich vor ein paar Jahren auch eine Forschergruppe um Professor Bodenmann gestellt (Milek, Randall, Nussbeck, Breitenstein & Bodenmann, 2017). Dabei hatten sie genau diese Stresssituationen, die auch meinen letzten Monat bestimmt haben, im Auge. Im Fachjargon ausgedrückt chronic minor external stress (CMES) – minor, weil damit nicht grosse Schicksalsschläge gemeint sind (sondern eben diese mehr oder weniger alltäglichen Widrigkeiten) und external, weil der Stress von ausserhalb der Paarbeziehung kommt und nicht Streitigkeiten oder Differenzen innerhalb eines Paars gemeint sind. Es ist jedoch bekannt, dass zu viel Stress von ausserhalb der Beziehung seinerseits Auswirkungen auf die Partnerschaft und somit auch Beziehungsunzufriedenheit zur Folge haben kann. Folgendes haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersucht:
Erstens wollten sie überprüfen, ob der negative Zusammenhang von Stress und Beziehungszufriedenheit über die gemeinsam verbrachte Zeit der Partner*innen vermittelt wird, im Sinne von Stress -> weniger gemeinsame Zeit -> Unzufriedenheit. Zweitens fragen sie sich, ob es dabei zwischen der Quantität und der Qualität der gemeinsam verbrachten Zeit zu unterscheiden gilt. Drittens wollten sie herausfinden, ob es zwischen Frauen und Männern Unterschiede gibt. Denn bisherige Befunde legen nahe, dass Frauen stärker unter Stress leiden (z. B Hamermesh, 2008) und Letztere der gemeinsamen Zeit mit dem Partner auch grössere Wichtigkeit beimessen als dies Männer tun (z.B Smith, Synder, Trull & Monsma, 1988).
Die Studie wurde in Nordrheinwestfalen (DE) als Teil eines grösseren Forschungsprojekts durchgeführt. Teilnehmen konnten Paare, die mindestens ein Kind im Alter zwischen 16 und 21 Jahre hatten und seit mindestens einem Jahr in einer heterosexuellen festen Partnerschaft lebten. Insgesamt wurden Daten von 90 Paaren ausgewertet. Die Partner waren zwischen 39 und 68 Jahre alt und im Schnitt seit 25 Jahren zusammen (87 % verheiratet). 67 % wohnten mit einem oder mehreren Kindern zusammen.
Die teilnehmenden Personen wurden mittels eines Codes anonymisiert und füllten unabhängig von der Partnerin oder dem Partner einen Onlinefragebogen aus. Dieser enthielt Fragen zur gemeinsamen Zeit als Paar (unter der Woche und am Wochenende, basierend auf der letzten Woche). Im Durchschnitt berichteten die Paare von 4.84 gemeinsam verbrachten Stunden unter der Woche. Weiter wurde die Qualität der gemeinsam verbrachten Zeit erfasst: Dazu sollten sie angeben, wie oft sie während einer Woche verschiedene gemeinsame Aktivitäten ausführten (1= nie bis 5 = sehr oft), wie zum Beispiel „gemeinsam einkaufen“ oder „fernsehen“. Weiter wurden sie gefragt, ob für sie eine Aktivität das Potential hatte, das „Wir-Gefühl“ in ihrer Partnerschaft zu stärken. „Quality Time“ wurde ermittelt, in dem die Forschenden schauten, wie oft Aktivitäten ausgeführt wurden, die von über 90 % der Personen als Aktivitäten mit Potential zur Förderung des Wir-Gefühls eingestuft worden waren. Dazu gehörten folgende Aktivitäten: Gemeinsame Mahlzeiten, zusammen ausgehen, sich über den Tag austauschen, wichtige Themen besprechen, körperlich zärtlich und intim sein. Durchschnittlich hatten die Paare während einer Woche oft gemeinsame Quality Time (Mittelwert 3.82). Weiter wurde gefragt, wie oft die Person in den letzten zwölf Monaten die bereits erwähnten CMES erlebt hatte (Alltagsstress, Probleme mit den Nachbarn, Stress im Job etc.) (1 = überhaupt nicht bis 4 = oft). Zum Schluss wurde mittels sieben Fragen die Beziehungszufriedenheit erfasst. Um keine verzerrten Ergebnisse zu erhalten, wurde rechnerisch für verschiedene Einflüsse kontrolliert: Dazu gehörte die Anzahl wöchentliche Arbeitsstunden, die Anzahl Kinder im Haushalt, das durchschnittliche Alter der Kinder und die Beziehungsdauer des Paars. Dies sind alles Faktoren, die einen Einfluss auf die untersuchten Zusammenhänge haben könnten.
Resultate
Erstens: Es zeigte sich, dass die gemeinsame Zeit den negativen Zusammenhang von Stress und Beziehungszufriedenheit vermittelte (Stress -> gemeinsame Zeit -> Beziehungszufriedenheit). Allerdings galt dies nur für die Qualität und nicht für die Quantität (also die allgemeine Dauer) der gemeinsam verbrachten Zeit. Es fand sich kein signifikanter Einfluss von Stress auf die Dauer gemeinsam verbrachten Zeit, was bedeutet, dass Paare bei denen einer oder beide Partner gestresst waren, im Durchschnitt nicht weniger Zeit zusammen verbrachten (jedoch weniger Quality Time). Mehr Quality Time ging bei Frauen und Männern mit einer höheren Beziehungszufriedenheit zusammen.
Zweitens: Es muss also zwischen Qualität und Quantität unterschieden werden und auch ihr jeweiliger Einfluss auf die Beziehungszufriedenheit war bei Frauen und Männern nicht ganz gleich. Während bei den Frauen 25 % der unterschiedlichen Ausprägungen in der Beziehungszufriedenheit durch die Qualität der gemeinsam verbrachten Zeit erklärt werden konnte, waren es nur 3 %, welche sich durch die Quantität der verbrachten Zeit erklären liess. Bei den Männern erklärte die Qualität 15 % und die Quantität nur 1 % der Unterschiede zwischen den Männern in Bezug auf ihre Beziehungszufriedenheit.
Drittens: Die vermuteten Unterschiede zwischen Männern und Frauen wurden bestätigt: Der indirekte Weg von Stress über -> gemeinsame Zeit -> Beziehungszufriedenheit zeigte sich so nur bei Frauen, deren Stress sich auf diesem Weg sowohl negativ auf ihre eigene Beziehungszufriedenheit als auch auf die Beziehungszufriedenheit ihres Partners auswirkte. Dies war insbesondere für die Quality Time der Fall. Wie bereits erwähnt, konnte die gemeinsam verbrachte Zeit bei den Frauen einen grösseren Anteil an Varianz in der Beziehungszufriedenheit erklären als bei den Männern. Für viele Frauen scheint solche Quality Time als Paar also etwas Zentrales zu sein, damit sie sich in ihrer Beziehung wohl und zufrieden fühlen.
In Kürze
Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass es nicht einfach darum geht, möglichst viel Zeit mit der Partnerin* oder dem Partner* zu verbringen. Viel mehr geht es darum, wie die gemeinsame Zeit gestaltet wird. Und wie wir unsere Zeit als Paar verbringen, scheint wiederum von unserem Stress beeinflusst zu werden. Denn es zeigte sich, dass Frauen, die über mehr Stress berichteten, insgesamt nicht weniger Zeit mit ihrem Partner verbrachten, jedoch weniger qualitative Momente hatten (wie zusammen ausgehen, sich über den Tag austauschen oder körperlich zärtlich und intim zu sein) und dadurch in ihrer Beziehung auch weniger zufrieden waren. Bemerkenswert ist auch, dass sich der Stress der Frauen nicht nur auf ihre eigene Beziehungszufriedenheit, sondern auch auf die des Partners auswirkte. Es reicht eben nicht, wenn wir uns zwar sehen, aber nur über Stornierungsbedingungen, Spitalbesuche oder Termine mit dem Handwerker reden oder im besten Fall noch nebeneinander 10 vor 10 schauen bevor wir müde ins Bett fallen.
Was nun?
Mein letzter Monat war zum Glück eine Ausnahme. So stressig ist es nicht immer in meinem und unseren Leben! Trotzdem gibt es diese Phasen und nicht immer kann ich sie verhindern. Der vergangene Monat und die Beschäftigung mit dieser Studie haben mir aber gezeigt, dass es gerade in diesen Momenten wichtig ist, meiner Partnerschaft Sorge zu tragen. Gemeinsame Quality Time gibt auch wieder Energie für den Alltag. Es muss nicht immer ein ganzer Abend mit Kino und romantischem Abendessen sein. Schon eine kurze Unterhaltung über den Tag, eine liebevolle Umarmung oder ein kleiner Spaziergang kann in stressigen Zeiten heilsam sein. Ohne diese Momente leidet unsere Beziehung, was zu Konflikten, Entfremdung, Unzufriedenheit und letzten Endes zu noch mehr Stress führt. Wichtig ist auch, dass wir uns bewusst sind, dass jeder anders auf Stress reagiert. Während sich der eine zurückzieht, wird der andere gereizt und verfällt in Aktivismus. Diese unterschiedlichen Strategien haben auch mit unserer Persönlichkeit und mit früheren Erfahrungen zu tun und das ist auch in Ordnung. Und doch ist es wichtig, dass wir uns gerade in diesen Zeiten nicht aus den Augen verlieren!
Wenn du also merkst, dass Stress in eurer Beziehung ein Thema ist und vielleicht auch beobachtest, wie er sich auf eure gemeinsame Zeit und eure Beziehungsqualität auswirkt, gilt es darüber zu reden und sich kleine Paar-Oasen zu schaffen. Eine Möglichkeit ist auch, in Form eines Paarlife-Trainings Strategien zum gemeinsamen Umgang mit Stress zu erlernen.
(Die Beispiele im Text sind fiktiv)
geschrieben von Noëmi Ruther
Rettungsversuche
Vor ein paar Tagen hatten mein Mann* und ich einen Streit. Worum es ging, weiss ich nicht mehr (daher nehme ich an, dass es sich nicht um ein existentiell wichtiges Problem handelte, obwohl ich das in diesem Moment sicherlich dachte). Am Anfang war alles noch ziemlich entspannt und wir haben wie normale Menschen miteinander geredet. Doch ziemlich schnell merkte ich, wie es um uns beide irgendwie eng wurde und Spannung aufkam. Der Tonfall wurde weniger sanft, die Aussagen klangen immer mehr nach Vorwürfen. Beste Voraussetzungen für einen üblen Streit. Doch dann machte mein Mann plötzlich einen Witz, über den wir beide lachen mussten. Und schwups war die Spannung weg und es wurde wieder weit. Mein Kopf wurde klar und ich besann mich, dass ich eigentlich wirklich nicht über dieses Thema streiten wollte, entschuldigte mich, gab meinem Mann einen Kuss und wir beschlossen, falls nötig am Wochenende nochmals darüber zu sprechen. Unser Abendessen ging entspannt weiter. Wie kam es zu dieser Wende?
Stopp!
Mit dem Witz hat mein Mann es geschafft, die entstehende Spirale der Negativität zu durchbrechen. Der bekannte Paarforscher John Gottman nannte diese Unterbrechungen „Rettungsversuche“. Eine der wichtigsten Strategien, die wir für unsere Beziehung lernen können, ist, solche Rettungsversuche zu unternehmen und von unserem Partner anzunehmen. In der Hitze des Gefechts ist das gar nicht so einfach. Aber man kann es üben!
Funktioniert das?
Ob solche Rettungsversuche funktionieren, hängt aber auch davon ab, in welchem Zustand sich unsere Beziehung befindet. Wenn wir beide ziemlich unglücklich sind und unsere Beziehung in den letzten Monaten immer von Negativität geprägt war, ist es natürlich schwierig, sich aufzuraffen und in einem Streit einen Rettungsversuch zu unternehmen. Ebenso werde ich mich eher sträuben, den unbeholfenen Versuch meines Partners, den Streit zu unterbrechen, zu würdigen und darauf einzugehen. Die Frage ist, wie wir aus dieser dauerhaften Negativität herauskommen? Und eine Möglichkeit ist, dass wir uns eben trotzdem oder gerade deshalb darin üben, Rettungsversuche zu unternehmen, zu erkennen und anzunehmen.
Wie?
Rettungsversuche können so individuell und unterschiedlich sein, wie unsere Beziehung und unsere Persönlichkeiten. Es kann jedoch auch hilfreich sein ein paar gemeinsam festgelegte „Codes“ zu haben, die benutzt werden können, um eine eskalierende und nicht zielführende Diskussion zu unterbrechen. Solche „Codes“ haben den Vorteil, dass sie vom Partner (meist) schnell erkannt werden und er den Rettungsversuch dadurch besser annehmen kann. Ausserdem ist es manchmal schwierig, sich einen guten Rettungsversuch auszudenken, wenn man mitten im Streit steckt. Gottman macht einige Vorschläge von konkreten Sätzen, die je nach Situation hilfreich sein können. Ein paar sollen hier beispielhaft genannt werden. Manchmal kann es sinnvoll sein, seine Gefühle auszudrücken („Ich bekomme Angst“,„Ich fühle mich überflutet“), sich selbst und den Partner zu beruhigen („Kann ich das zurücknehmen?“, „Können wir eine Pause machen?“), sich zu entschuldigen und versöhnlich zu sein („Wie kann ich es besser machen?“, „Lass mich noch einmal sanfter beginnen“, „Ich kann meinen Anteil in all dem sehen“, „Ich habe überreagiert. Entschuldigung.“), dem anderen zu zeigen, dass man sich auch von ihm beeinflussen und auf ihn einlässt („Du fängst an, mich zu überzeugen“, „Ich finde, deine Meinung macht Sinn“, „Lass uns unsere gemeinsame Basis suchen“), die Dynamik zu stoppen („Ich bin vielleicht auf dem falschen Gleis“, „Lass und eine Pause machen“, „Einigen wir uns darauf, uneinig zu sein“) oder die Negativität mit Positivität zu durchbrechen („Das ist ein gutes Argument“, „Ich weiss, dass es nicht deine Schuld ist“, „Das ist nicht dein Problem, das ist unser Problem“, „Ich liebe dich“). Natürlich kann man diese Sätze für sich selbst anpassen, damit sie nicht künstlich klingen. Für manche funktioniert auch Humor, eine Umarmung oder auch einfach der simple Satz: „Das ist ein Rettungsversuch!“
Und dann?
Nicht immer ist nach einem Rettungsversuch der Streit automatisch beendet und manchmal ist es wichtig, dass Probleme zu Ende diskutiert werden. Ein Rettungsversuch kann aber dabei helfen, Spannung zu reduzieren, inne zu halten und sich zu überlegen, ob es sinnvoll ist, das Gespräch zu vertagen oder ob die Diskussion auf konstruktivere Weise und als Team fortgesetzt werden kann.Rettungsversuche sind also kleine Helfer, die uns davor schützen, unserer Beziehung durch Negativspiralen und destruktive Konflikte zu schaden und uns als Paar liebevoller zu begegnen.
(Die Beispiele im Text sind fiktiv)
Dieser Eintrag basiert auf einem Abschnitt von John M. Gottman: „Die 7 Geheimnisse einer glücklichen Ehe“
geschrieben von Noëmi Ruther
Sex & Stress
Notstand
Kannst du dich noch an deine letzte wirklich wichtige Prüfung erinnern? Die Deadline des letzten grossen Projekts? Den grossen Kundenanlass, für den du die Hauptverantwortung hattest? In den Wochen davor herrschte vermutlich eine Art Notstand. In solchen Situationen hat man weder Zeit noch Nerven für andere Themen. Auch in unseren Beziehungen, besonders in der Partnerschaft, wird die Belastung spürbar. Wie wirkt sich der Stress auf unser Sexleben aus? Haben wir in stressigen Zeiten weniger Sex? Und ist der Sex weniger befriedigend? Sind wir unzufriedener mit der Beziehung und hat es einen Einfluss, welche Strategien wir (alleine oder als Paar) zur Stressbewältigung anwenden? Diesen Fragen sind Professor Bodenmann und drei weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachgegangen.
Gute Prüfung um jeden Preis
Ihre Studie hatte zum Ziel, den Zusammenhang zwischen Stress, Sex (Häufigkeit, Zufriedenheit und Erleben eines Orgasmus), Beziehungszufriedenheit und Coping (Umgang mit Stress) besser zu verstehen. Dazu wurden rund 100 Psychologiestudentinnen* befragt, die kurz vor der Assessmentprüfung am Abschluss des ersten Studienjahrs standen. Die Prüfung entschied darüber, wer sein Psychologiestudium fortsetzten konnte und wer nicht. Sie war daher mit ziemlich viel Stress und Druck verbunden. Auch wenn es sich im Durchschnitt um eher junge Frauen* handelte, reichte die Altersspanne der Studentinnen* von 19 bis 49 Jahren. Alle waren seit mindestens einem Jahr in einer festen Beziehung, die im Durchschnitt bereits 3.2 Jahre dauerte. 25% der Frauen* lebten mit ihrem Partner* zusammen, die anderen wohnten relativ nahe, so dass sie sich regelmässig sehen konnten. Besonders an der Studie war, dass die Frauen* über drei Monate hinweg befragt wurden. Diese Art von Studien (sogenannte Längsschnittstudien) ermöglichen oft spezifischere Aussagen als einmalige Erhebungen (Querschnittvergleiche). Die Studentinnen* füllten einerseits zu Beginn der Untersuchung Fragebogen aus und erhielten andererseits jede Woche per Post einen weiteren Bogen mit Fragen zu Stress, Sexualität und Beziehungszufriedenheit, den sie im Hinblick auf die vergangene Woche beantworteten.
Sex am Samstag
Es erstaunt nicht, dass die Häufigkeit von Sex vom Wochentag abhing. Am häufigsten hatten die Studentinnen* am Wochenende Sex. Dieser zyklische Verlauf wurde in die Berechnungen aufgenommen, um keine verzerrten Resultate zu erhalten. Die Frauen* hatten durchschnittlich an etwa einem Drittel der Tage Sex. Die meisten waren sowohl mit ihrer Beziehung als auch mit ihrem Sexleben zufrieden, wenngleich die Variabilität der Antworten zeigte, dass einige der Frauen* mit ihrer Beziehungen und ihrem Sexleben nicht ganz glücklich waren. In über 50% der Fälle berichteten die Frauen* über einen Orgasmus beim Sex.
Stress, Sex & Coping
Die Forschenden testeten drei Hypothesen: In der ersten Hypothese ging es darum, den Einfluss von beziehungsexternem Stress auf die sexuelle Aktivität, die sexuelle Zufriedenheit und die Häufigkeit eines Orgasmus zu beleuchten. Ein interessantes Phänomen war, dass die Studentinnen* in der ersten Woche der Studie um 77% häufiger Sex hatten. Ebenso war in dieser Woche die sexuelle Zufriedenheit erhöht und mehr Frauen* berichteten über einen Orgasmus beim Sex. In der Forschung bezeichnet man das als Messeffekt: Die Aufforderung, die eigene Sexualität zu beobachten und darüber zu berichten, kann das Verhalten kurzfristig verändern. Insgesamt zeigte sich, dass mehr externer Stress klar mit weniger Sex einherging. Für jeden zusätzlichen Punkt, den eine Person auf der Stressskala (von 1-6) erzielte, nahm die Häufigkeit von Sex im Durchschnitt um 21% ab. Auch die sexuelle Zufriedenheit hing (negativ) mit Stress zusammen, nicht aber, wie häufig die Person einen Orgasmus hatte (wenn es denn zu Sex kam).
Die zweite Hypothese ging davon aus, dass weniger Sex mit tieferer Beziehungszufriedenheit einherging. Und tatsächlich bestätigte sich dies in der Studie.
Mit der Überprüfung der dritten Hypothese wollten die Forschenden herausfinden, ob die Auswirkungen von Stress auf Sex und Zufriedenheit durch Coping (Umgang mit Stress) abgeschwächt oder verstärkt werden. Dabei unterschieden sie zwischen individuellem und dyadischem Coping. Diese Begriffe wurden bereits in früheren Blog-Einträgen eingeführt. Während individuelles Coping persönliche Strategien zur Stressbewältigung wie Humor, Suche nach Lösungen, positive Neuinterpretation oder auch negative Formen wie Verleugnen und Passivität umfasst, geht es beim dyadischen Coping um die Stressverarbeitung als Paar. Positive Formen sind beispielsweise emotionale oder problemorientierte Unterstützung (Mut machen, in den Arm nehmen, den anderen entlasten etc.). Es zeigte sich, dass die Art der Stressbewältigung die Effekte von Stress auf Sex und Zufriedenheit nicht verstärkte oder abschwächte. Ein Zusammenhang mit Sex wurde dennoch sichtbar, insbesondere beim dyadischen Coping: Für jeden zusätzlichen Punkt, den eine Studentin* auf der Skala zum dyadischen Coping (von 0-4) erzielte, stieg die sexuelle Aktivität um durchschnittliche 55%. Das heisst ganz einfach, dass Paare, die sich gegenseitig unterstützten und ihren Stress (unter anderem) auch gemeinsam bewältigten, im Durchschnitt mehr Sex hatten. Dieser Zusammenhang zeigte sich beim individuellen Coping nicht. Die sexuelle Zufriedenheit hing sowohl mit dem dyadischen als auch dem individuellen Coping zusammen. Auch in Bezug auf den Orgasmus zeigte sich, dass Frauen* mit Partnern*, die sich gegenseitig mehr unterstützten, häufiger einen Orgasmus hatten. Die Ergebnisse verdeutlichen also, dass gegenseitige Unterstützung beim Umgang mit Stress auch unser Sexleben beeinflusst – nicht nur wie oft wir Sex haben, sondern auch, wie befriedigend der Sex ist.
Was wir aus der Forschung lernen können...
Stressige Phasen vor grossen Prüfungen oder Deadlines gehören zum Leben dazu. Und es ist normal, wenn wir in diesen Phasen vielleicht weniger Lust auf Sex haben. Auch in anderen Studien haben Forschende um Professor Bodenmann zeigen können, dass Stress und sexuelle Schwierigkeiten nicht selten zusammenhängen. Gestresste Personen sind oft müde und erschöpft und haben dadurch weniger Lust auf Sex. Andererseits nimmt man den Alltagsstress auch mit in die Beziehung, was zu Spannungen in der Partnerschaft selbst und dadurch auch zu weniger Lust führen kann. Wichtig ist, dass wir uns bewusst sind, woher der Stress kommt, darüber reden und die Bedürfnisse unserer Partnerin* oder unseres Partners* ernst nehmen. Gerade in diesen Phasen ist die gegenseitige Unterstützung besonders wichtig und kann uns helfen, die stressige Zeit durchzustehen, ohne dass unser Beziehungs- und Sexleben zu stark darunter leidet.
Dieser Eintrag basiert auf der Studie The association between daily stress and sexual activity (2010) von Prof. Dr. Bodenmann und weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
geschrieben von Noëmi Ruther
Schicksalsschläge
Früher oder später werden irgendwelche Ereignisse unser Alltagsleben erschüttern und dadurch auch unsere Beziehung auf die Probe stellen: Mein*e Partner*in verliert ihren Job, mein Vater wird schwer krank und braucht plötzlich viel Pflege oder ich selbst erhalte eine lebensverändernde Diagnose. Wenn wir es als Paar schaffen, uns in solchen Phasen zu unterstützen, können diese schwierigen Ereignisse unser „Wir-Gefühl“ stärken und uns „zusammenschweißen“, und wir können uns in der schwierigen Zeit gegenseitig unterstützen.
Unser Problem
Schicksalsschläge betreffen immer beide. Nicht nur meine Partnerin, die den Job verloren hat, steht vor einer Herausforderung und nicht nur ich, der eine schwere Diagnose erhalten hat, habe Ängste und Sorgen. Es hilft darum nicht, wenn wir uns in die Rollen des Betroffenen und des Unbeteiligten, des Helfers und des Gesunden begeben. Die Situation ist nicht dein oder mein Problem, sondern unser Problem. Das heisst aber auch, dass wir das Problem gemeinsam angehen und wir beide etwas zur Verbesserung der Situation beitragen können.
Ich helfe dir und du hilfst mir
Wenn es mir nicht gut geht, ich krank bin oder Probleme habe, ist mein*e Partner*in einer der wichtigsten Unterstützungen überhaupt. Eine glückliche Beziehung puffert schwere Belastungen ab. Die Michigan Herzinfarkt-Studie zeigte zum Beispiel, dass 2 Jahre nach einem Herzinfarkt von den Patienten in glücklicher Beziehung noch 70 % lebten, während von den Patienten in unglücklichen Beziehungen nur noch 45 % am Leben waren. Es wird vermutet, dass die Qualität der Unterstützung des Partners eine entscheidende Rolle spielte. Wenn ich krank bin, brauche aber nicht nur ich Unterstützung, sondern manchmal auch meine Partnerin. Wenn ich eine körperliche oder psychische Einschränkung habe, kann ich vielleicht nicht mehr alles für meine Partnerin tun, aber trotzdem braucht auch sie manchmal emotionale Unterstützung, Verständnis und Wertschätzung von mir. Das ist auch wichtig, damit unsere Beziehung nicht einseitig wird. Ich bekomme so auch das Gefühl, dass ich etwas „zurückgeben“ kann.
Die Welt mit deinen Augen
Es ist wichtig, dass wir darüber reden, was belastende Ereignisse mit uns machen, welche Bedeutung sie für uns haben und wie wir uns dabei fühlen. Manchmal ist es gut vorher abzumachen, wie lange man über bestimmte schwierige Themen sprechen will. Wenn ich weiss, dass mein*e Partner*in jetzt eine halbe Stunde über das schwere Ereignis sprechen wird und wir uns anschliessend wieder etwas anderem widmen, hilft mir das vielleicht, mich für diese Zeit ganz auf sie einzulassen. Dabei sollte ich versuchen, mich wirklich in mein*e Partner*in hineinzuversetzen. Wenn ich das Gefühl habe sie zu verstehen, kann ich sie auch besser unterstützen, aufmuntern und ihr vielleicht auch eine andere Sichtweise aufzeigen. Abwertende Kommentare und Vorwürfe sollten vermieden werden – auch wenn das nicht immer einfach ist – und meine Unterstützung sollte ehrlich gemeint sein. Sonst kann es schnell passieren, dass sich meine Partnerin zurückzieht oder wir in eskalierende Konflikte geraten.
geschrieben von Noëmi Ruther
Stress - das kleine Einmaleins
Bist du schon mal von der Arbeit nach Hause gekommen und wolltest einfach nur noch deine Ruhe? Hattest du schon Momente mit den Kindern, in denen dir alles zu viel wurde? Kannst du dich an das letzte Gespräch erinnern, welchem du am liebsten aus dem Weg gegangen wärst? Es würde mich nicht wundern, wenn deine Antwort auf mindestens eine dieser Fragen «ja» gewesen wäre. Denn wir alle kenne ihn, den Stress, der sich oft still und heimlich in unser Leben schleicht und auf alles, was wir tun, seinen Einfluss nimmt. So erstaunt es nicht, dass man sich oft selbst beim Sprechen mit Aussagen ertappt wie: «Ich gehe noch schnell..», «Ich mache noch kurz..», «Ach, das kann ich auch noch rasch erledigen..». Wieso muss alles in Eile passieren? Wieso machen mir uns selbst diesen Druck? Um uns diesen Fragen zu nähern, werden wir uns heute das Konstrukt Stress einmal genauer anschauen.
Was ist Stress?
Es gibt seit der Zeit der Stressforschung einige Theorien, welche sich mit diesem Konstrukt befassen. Am meisten Akzeptanz findet das transaktionale Stressmodell von Lazarus & Folkman (1984), welches besagt, dass nicht der Reiz selbst (das schreiende Kind, Leistungsdruck auf der Arbeit, etc.) Stress in einem auslöst, sondern wie wir den jeweiligen Reiz bewerten. Dabei wird in zwei gleichzeitig ablaufenden mentalen Prozessen eingeschätzt, ob die spezifische Situation mit dem Stressor für mich persönlich gerade positiv, neutral oder negativ ist und welche Anforderungen die Situation an mich stellt und ob ich genügend Bewältigungsressourcen für die Anforderungen momentan zur Verfügung habe. Fällt mindestens ein Prozess negativ aus – Situation wird als negativ bewertet oder meine Bewältigungsressourcen entsprechen den Situationsanforderungen nicht – dann entsteht Stress bei mir. Es geht also beim transaktionalen Stressmodell um eine Interaktion zwischen Mensch und Umwelt. Somit ist Stress ein situatives Ereignis, welches durch eine Person als herausfordernd, bedrohend oder schädigend angesehen wird oder unter gegebenen Anforderungen die eigenen wahrgenommenen Ressourcen beansprucht oder überschreitet. Man kann daher nicht von allgemeinen Stressoren ausgehen, weil die Bewertung des Stressors von der Lernerfahrung der Person, ihrer momentanen Stimmung und den Situationsanforderungen abhängig ist. Wir können also gewisse Ereignisse als unterschiedlich stressig wahrnehmen. Für mich wäre es beispielsweise ein riesiger Stress, einen Vortrag an einer Konferenz zu halten. Für andere Personen wäre dies ein absoluter Glücksfall, um ihr Wissen weitergeben zu können. Was löst bei dir Stress aus?
Welche Stress-Formen gibt es?
Eine erste Differenzierung kann bei der Stressor-Qualität gemacht werden. Negativer Stress kann uns fordern und wirkt daher motivierend (Eustress), wenn die eigenen Ressourcen nicht überstrapaziert werden. Hingegen kann rein negativer Stress (Distress) mit hoher Beanspruchung unserer Ressourcen bedrohend, hilflos oder provokativ wirken.
Stress kann weiter anhand von der Intensität (Makro-/Mikrostress), der zeitlichen Ausdehnung (akut vs. chronisch) und der Betroffenheit (persönlich vs. kollektiv) in verschiedene Kategorien eingeteilt werden. Als Makrostress bezeichnet man grosse Ereignisse wie Naturkatastrophen, Erkrankungen oder Unfälle. Mikrostress sind kleinere Alltagsereignisse wie Partnerschaftskonflikte oder Fluglärm. Akute Stressoren finden nur von Zeit zu Zeit statt oder sind gar einmalig, chronische hingegen sind länger andauernd. Individuelle Ereignisse sind solche, die nur auf einen selbst zutreffen, während sich kollektive Ereignisse an eine grosse Menschengruppe oder Teilbevölkerung richten. Auf welcher Ebene erlebest du häufig Stressoren? Welche könnten für dich besonders fordernd oder überfordernd sein?
Der liebe Alltagsstress
Die Wissenschaft konnte zeigen, dass bei Paaren besonders die chronischen Mikrostressoren belastend wirken. Also die kleinen Stressoren des Alltags, die unsere Nerven belasten können und immer wieder vorfallen. Dies könnten Stress bei der Arbeit, Konflikte im Haushalt oder aber auch Zwischenfälle mit Familien oder Freunden sein. Im Stress-Scheidungsmodell von Bodenmann (2004) wird ersichtlich, dass dieser Alltagsstress die gemeinsame Zeit als Paar reduziert, die Kommunikation verschlechtert, das Risiko auf körperliche und psychische Erkrankungen erhöht und problematische Charakterzüge des*r Partners*in demaskiert werden. Spannend ist, dass besonders paarexternen Mikrostress negative Folgen auf die Beziehung haben kann. Dies liegt am «Spillover-Effekt», dem Phänomen, bei welchem einer oder beide Partner*innen den über den Tag angehäuften Stress durch Arbeit und weiteres mit nach Hause nehmen. Dies kann dazu führen, dass sich ein*e Partner *in mehr zurückzieht oder gereizter reagiert, was das Konfliktpotential innerhalb der Partnerschaft massiv erhöht. Falls längerfristig destruktives Streiten und keine Versöhnung in der Partnerschaft zur Tagesordnung werden, kann dieser paarexterne Stress schliesslich zu einer schrittweisen Entfremdung der Partner*innen und im schlimmsten Fall auch zu einer Trennung führen kann.
Welche Folgen zieht der Stress mit sich?
Stress kann Kurzzeit- sowie Langzeitfolgen aufweisen, welche sich auf unsere Emotionen und Gedanken, unser Verhalten und unseren Körper beziehen. So kann man sich akut emotional angespannt oder nervös fühlen. Dies kann sich jedoch langfristig in einen Erschöpfungszustand, eine chronische Hilflosigkeit oder sogar in eine psychische Störung entwickeln. Das menschliche Verhalten kann durch Stress zu Gereiztheit oder Egoismus neigen und kann mit internalisiertem Verhalten wie Verschlossenheit oder externalisiertem Verhalten wie erhöhter Konsum von Suchtmitteln (Nikotin-, Alkohol- und Medikamentenkonsum) einhergehen. Kurz, unter Stress neigen wir zu riskanten oder ungesunden Bewältigungsstrategien. Auch negative Persönlichkeitsmerkmale, wie beispielsweise cholerische Anfälle, werden durch Stress verstärkt. Langfristig leidet unter Stress die Qualität der Partnerschaftskommunikation, was wiederum zu mehr Partnerschaftskonflikte führt. Mehr Fehlzeiten auf der Arbeit sind weitere Folgen und es kann zudem zur sozialen Isolation kommen. Auch unser Körper wird von den Folgen des Stresses nicht entbehrt: Kurzzeitig können Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Verspannungen und eine erhöhte Herzfrequenz auftreten. Langfristig können diese zu Herz-Kreislauf-Störungen, Diabetes, Magengeschwüren sowie Migränen führen. Was geht in dir vor, wenn du gestresst bist? Meldet sich dein Körper oder verhältst du dich anders?
Wenn es der Psyche zu viel wird
Doch wie kann es sein, dass Stress sogar zu einer psychischen Störung führen kann? Und wieso sind dann nicht alle Personen krank, welche chronisch unter Stress leiden? Einer dieser Gründe könnte die persönliche Toleranzgrenze sein. Das Diathese-Stress-Modell psychischer Störungen geht davon aus, dass Menschen allgemein eine gewisse Anspannung vorweisen. Diese kann je nach aktueller Stresssituation schwanken. Entscheidend ist zudem die Resilienz (bspw. Partnerschaft, soziales Netzwerk, Lebenskompetenzen, etc.) des Menschen oder auch persönliche Toleranzgrenze, welche uns vor Stress schützt. Je toleranter wir sind, desto mehr Stress halten wir aus. Je nach Stressor, welchen wir dann im Alltag erleben, wird diese Toleranzgrenze eingehalten, oder eben nicht, was dann zur Entwicklung einer psychischen Störung führen kann.
Nun ist klarer, dass obwohl wir alle Stress erleben, nicht jedes Erlebnis für jede Person gleich stressig oder überfordernd ist. Manche Menschen reagieren schneller auf kritische Lebensereignisse, während andere eine höhere Stress-Toleranz haben. Doch alleine die Tatsache, dass wir selbst wissen, in welchen Situationen wir uns gestresst fühlen, kann helfen, anders damit umzugehen und sich aktiv Zeit für sich selbst zu nehmen. Denn Stress kann sowohl für die Psyche als auch für den Körper negative Konsequenzen mit sich bringen und dies erst recht, wenn man chronisch darunter leidet.
Dieser Eintrag basiert auf dem Artikel Stressbewältigung von Guy Bodenmann und Simone Gmelch aus dem Jahr 2008 sowie dem Artikel In guten wie in schlechten Zeiten – Warum schlechte Zeiten in Scheidung enden können von Martina Zemp und Guy Bodenmann.
geschrieben von Rebecca Vollenweider
Stress - wie man ihn bewältigt
Stressbewältigung, oder zu Englisch «Coping», ist der Prozess, in welchem Stress reguliert wird. Da Stress aus der Interaktion zwischen Mensch und Umwelt entsteht, kann die Stress-Regulation sowohl durch die Veränderung im Umgang des Individuums mit dem Stressor (Assimilation) oder aber durch die Veränderung der Umweltbedingungen (Akkomodation) erfolgen. Ziel des Copings ist es, die psychische und körperliche Unruhe und Belastung durch Stress wieder in ein Gleichgewicht zu bringen. Die Bewältigungsmethoden zur Stress-Regulation können objektiv betrachtet sowohl gesundheitsförderlich als auch als riskantes Gesundheitsverhalten sein (Essen bei Stress kann zu Übergewicht führen, Zigaretten rauchen, Alkoholkonsum, etc.). Beide reduzieren kurzfristig den Stress, wobei die riskanten Verhaltensweisen wiederum zu mehr Stress führen können, wenn beispielsweise mit dem Rauchen aufgehört werden soll. Hast du dich schon einmal dabei ertappt, wie du versucht hast, Stress zu bekämpfen und dich danach jedoch noch gestresster, als zuvor gefühlt hast?
Motivation des Coping
Wie kommen wir überhaupt dazu, uns gegen Stress zu wehren? Welche Gründe sind dir bekannt, weshalb du eine Veränderung suchst, wenn du wirklich gestresst bist? Laut der Forschung sind zwei primäre Motivatoren bekannt, weshalb Menschen eine Strategie zur Stressbewältigung anwenden. Primär geht es darum, die Probleme zu lösen, welche uns aus dem Gleichgewicht bringen. Sei dies, wenn man die Kinder nicht zur Kita fahren kann und nun nach einer Person sucht, welche dies erledigen soll. Oder man muss noch ein Projekt bis Ende Woche fertig machen, wird dann aber krank und braucht einen Ersatz. Zweitens ist die Emotionsregulation ein Grund zur Stressbewältigung. Wenn man beispielsweise wegen eines wichtigen Events aufgeregt ist und dies einem tagelang den Schlaf raubt, so ist es vorteilhaft, wenn erwachte Emotionen beruhigt werden. Wenn ich mich gut auf den Event vorbereitet habe, weiss ich, dass ich das kann und spreche mir Mut zu, was mich beruhigt (Emotionsregulation).
Verschiedene Coping-Formen
Es gibt viele Einteilungen und Klassifikationen im Umgang mit Stress. Neben dem motivationalen Aspekt kann man die Bewältigungsstrategien auch in zeitlicher Reihenfolge betrachten. Relatives Coping zeichnet sich durch Strategien aus, welche die Bewältigung von stressigen Ereignissen beschreiben, welche bereits zuvor eingetroffen sind. Beim antizipatorischen Coping werden zukünftige Stress-Ereignisse vorhergesehen und vermieden. Man kann aber auch Widerstandsressourcen aufbauen, um auf zukünftige kritische Lebensereignisse besser gewappnet zu sein (proaktives Coping). Auch präventive Bewältigungsstrategien, zu welchen auch die Gesundheitsprävention gehört, sind möglich. Natürlich können diese Coping-Strategien sowohl auf individueller Ebene als auch auf der Paar-Ebene (Dyade) angewendet werden.
Förderung von Stress-Bewältigungsstrategien
Es gibt diverse Interventionen, die darauf abzielen, die Coping-Strategien von Einzelpersonen und Paaren zu fördern. Darin kann es unter anderem darum gehen, Stress-Theorien zu vermitteln. Dadurch wird die Sensibilisierung auf das Thema angeregt, wobei das Verständnis für kritische Lebensereignisse und deren Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit werden gestärkt. Zudem kann mit stressinduzierenden Kognitionen gearbeitet werden, damit diese erkannt und modifiziert werden. Gedanken, wie ein zu hoher Leistungsdruck oder eine überanspruchsvolle Haltung an sich selbst werden zu funktionalen Kognitionen umgewandelt, welche keinen Stress mehr auslösen. Manche Interventionen bieten ein Problemlösetraining an, welches Individuen und Paare zur selbstständigen Problemlösung anleitet. Zusätzlich können in Coping-Interventionen auch Entspannungstechniken gelehrt werden, welche helfen sollen, die körperliche und psychische Anspannung zu senken.
Paarlife und Stressfit
Paarlife ist, wie sicherlich bereits bekannt ist, ein präventives Paarangebot zur Stärkung der Partnerschaft und Revitalisierung. Darin enthalten ist auch ein Problemlösetraining, welches Paaren zeigt, wie sie gemeinsam mit Alltagsproblemen sowie kritischen Lebensereignissen umgehen können. Zudem wird das ganze Basiswissen zu Stress erklärt und betrachtet, wie man als Paar damit umgeht. Der Fokus von Paarlife liegt auf dem dyadischen Coping, dem gemeinsamen Umgang mit Stress als Paar. Dabei ist es essentiell, dass Paare lernen, wie sie mit stressigen Situationen umgehen und gemeinsam darüber sprechen, damit Stress sowohl auf der Problemebene, als auch auf der Emotionsebene bewältigt werden kann. Bei der Revitalisierung geht es darum, wieder Leidenschaft in die Beziehung zu bringen und den partnerschaftlichen Austausch zu stärken. Stressfit hat eine ähnliche Funktion, ist jedoch noch stärker auf das Thema Stress fokussiert und richtet sich an Einzelpersonen. Darin werden die Teilnehmer für das Thema Stress sensibilisiert und lernen, wie sie stressige Lebenssituationen am besten bewältigen und die eigenen Ressourcen dafür einsetzen können. Das Ziel ist es, dass eine gesunde Work-Life-Balance hergestellt werden kann.
Wie sieht es bei dir aus? Kannst du stressige Situationen gut handhaben? Und hast du das Gefühl, dass dir bestimme Coping-Strategien besonders helfen? Nicht jeder Mensch ist gleich, wodurch auch der Umgang mit kritischen Lebensereignissen äusserst unterschiedlich ist. Wichtig ist jedoch, dass man sich klar macht, was genau Stress ist, wie er im eigenen Alltag ausgelöst wird und womit man ihn aktiv bekämpfen kann. Denn Stress kann kurz- sowie langfristig Folgen für die eigene mentale und körperliche Gesundheit haben. Es gilt daher, sich mit Stress aktiv auseinanderzusetzen, um die eigene Energie für die wichtigen und schönen Dinge des Lebens zu sparen.
Dieser Eintrag basiert auf dem Artikel Stressbewältigung von Guy Bodenmann und Simone Gmelch aus dem Jahr 2008.
geschrieben von Rebecca Vollenweider
Stress, Streit, Scheidung
Der ganz verrückte Alltag
Eigentlich sollte es ein romantischer Abend werden. Mein Mann* und ich wollten wieder einmal gemeinsam kochen und uns anschliessend einen Film anschauen, den uns Freunde empfohlen hatten. Doch heute lief wirklich alles schief. Nachdem ich letzte Nacht schlecht geschlafen hatte (es war viel zu heiss und mein Mann hat wieder einmal geschnarcht), musste ich am Morgen schockiert feststellen, dass der Kaffee ausgegangen war. Ein Morgen ohne Kaffee ist für mich ein kleiner Weltuntergang! Weil ich also am Bahnhof unbedingt noch kurz einen Kaffee to-go holen musste, verpasste ich beinahe meinen Zug. Als ich es dann im letzten Augenblick doch noch in die S-Bahn schaffte, suchte ich natürlich vergeblich nach einem Sitzplatz im Pendlerverkehr. Die morgendliche Teamsitzung dauerte ewig und so kam ich kaum dazu vor dem Mittagessen an meinem eigentlichen Projekt weiterzuarbeiten. Frustration machte sich breit. Auf dem Heimweg dann noch ein vorwurfsvoller Anruf meiner Mutter, die enttäuscht war, dass ich ihr für das Mittagessen nächsten Sonntag abgesagt hatte. Als ich nach dem langen und anstrengenden Tag endlich wieder zu Hause war, stach mir als Erstes die leere Kaffeedose auf dem Küchentisch ins Auge. Wie konnte ich nur vergessen, auf den Heimweg Kaffee zu kaufen oder meinem Mann eine SMS zu schreiben (denn eigentlich war er ja dran mit einkaufen)? Anstatt ihn zur Begrüssung zu küssen und nach seinem Tag zu fragen, setzte ich geräuschvoll meine Tasche ab, warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und hielt ihm die leere Dose unter die Nase. Wie der Abend endete, kann man sich denken...
Die Spitze des Eisbergs
Kommt dir die Szene bekannt vor? Alltagsstress ist zermürbend und belastend. Und längerfristig schadet er auch unseren Beziehungen. Auch die Forschung zeigt ganz klar, dass zu viel Stress einer Beziehung zusetzt. Oft geschieht das schleichend und wir merken erst gar nicht so recht, wie es passiert. In einer Studie erwiesen sich zwei Arten von Stress als besonders schädlich für die Beziehung: Die bereits beschriebenen täglichen Widrigkeiten und Freizeitstress. Bei den täglichen Widrigkeiten ist das Problem, dass sie sehr oft auftreten, wir aber von aussen nicht viel Unterstützung oder Verständnis erfahren, da es sich ja nicht um „wirklich schlimme“ Dinge handelt. Sie stellen oft nur die Spitze des Eisbergs dar und wir merken lange nicht, welche Auswirkungen sie eigentlich auf unsere Partnerschaft haben. Die wichtige Rolle von Freizeitstress mag zuerst ein bisschen verwundern. Aber gerade in der Freizeit ist es wirklich wichtig, dass wir uns erholen und abschalten können. Wenn aber dauernde Einladungen, Vorstandsitzungen und Druck wegen des bevorstehenden Turniers des Sportvereins weitere Hektik verursachen, fehlt der Ausgleich zu den Belastungen von Arbeit und – wenn man Kinder hat – Familie total. Vielfach wird auch in der Freizeit Zeit- und Leistungsdruck aufrechterhalten. Man joggt nicht um des Wohlbefindens und der Ruhe willen, sondern wetteifert mit anderen, will sie übertrumpfen oder die eigene Bestmarke immer wieder knacken. Statt Entspannung und Genuss wird so auch die Freizeit zum Stress.
Die Masken fallen
Dass ich nach diesem frustrierenden Tag am Abend zuerst einmal zickig und unfreundlich auf meinen Mann reagiert habe, zeigt bereits einen ersten Mechanismus auf, über den sich Stress negativ auf die Beziehung auswirkt: Chronischer Alltagsstress legt problematische Persönlichkeitszüge frei. Während wir unsere Schwächen die meiste Zeit ganz gut verstecken können, werden wir unter Stress plötzlich zickig, dominant, intolerant, weinerlich oder unflexibel. Die Masken fallen! Unter Stress verschlechtert sich ausserdem unsere Kommunikation: So konnte eine Studie zeigen, dass Paare unter Stress um rund 40 % schlechter kommunizieren. Da sind Missverstände vorprogrammiert! Ist dir auch schon aufgefallen, dass dein Partner manchmal gar nicht so richtig zuhört, wenn er gestresst ist? Oder fällst du ihm nach einem anstrengenden Tag vielleicht selbst öfters ins Wort? Ausserdem hat Stress oft zur Folge, dass wir als Paar weniger Zeit zusammen verbringen. Und wenn wir uns dann sehen, geht es darum, noch irgendetwas zu erledigen oder zu besprechen. Gemeinsame Spaziergänge, einen Abend in der Badewanne oder ausgedehnte Gespräche bei einem Glas Wein stehen nicht mehr auf dem Programm. Und nicht zuletzt kann chronischer Stress auch zu körperlichen und psychischen Problemen führen, was die Beziehung zusätzlich belastet. Wenn wir immer mehr in diese negative Spirale geraten, entfremden wir uns, werden unzufrieden in der Beziehung und wenn dann noch ein Auslöser dazu kommt, kann es irgendwann tatsächlich zu einer Scheidung kommen. Und das alles wegen Stress? Natürlich führt Stress nicht direkt in die Scheidung, aber über die beschriebenen Mechanismen, kann er unsere Beziehungen tatsächlich massiv beeinflussen und schädigen. Das Gute ist, dass wir etwas unternehmen können! Einerseits können wir versuchen, unseren Stress zu verringern und andererseits können wir auch lernen, besser mit Stress umzugehen. Jeder für sich selbst und auch gemeinsam als Paar. Hier setzen auch die Programme von Paarlife an! Mehr zum Umgang mit Stress im nächsten Blog-Eintrag.
(Die Beispiele im Text sind fiktiv)
Dieser Eintrag bezieht sich auf das Buch Beziehungskrisen - erkennen, verstehen und bewältigen von Prof. Dr. Guy Bodenmann.
geschrieben von Noëmi Ruther
Und dann waren wir plötzlich Eltern
Wenn ein Baby in unser Leben tritt, sind wir meist voller Stolz und Freude und fühlen uns auch als Paar stärker verbunden denn je. Aber viele junge Eltern erleben auch grosse Belastungen und Herausforderungen: So kleine Wesen beanspruchen viel Zeit, Aufmerksamkeit und Energie. Mehr als 60 % der Paare geben an, dass sich ihre Beziehung durch die Geburt eines Kindes sehr verändert hat. Was bedeutet dieser Übergang für uns als Paar und was können wir tun, um diese Herausforderung zu meistern?
Reden ist Gold
Wenn wir Eltern werden, ist erstmals alles anders. Eltern sein ist nichts, was wir geübt oder in der Schule gelernt haben. Unsere Welt wird auf den Kopf gestellt: Neue Aufgaben, neue Zeitpläne und -abläufe und neue Herausforderungen. Sowohl meine Partnerin als auch ich haben Vorstellungen und Erwartungen in Bezug auf diese neuen Situationen. Ich habe Erwartungen an mich selbst, aber auch an meine Partnerin. Vielleicht nehme ich mir vor, dass ich ein besonders geduldiger und feinfühliger Vater sein will (weil mein eigener Vater das (nicht) war). Oder meine Partnerin erwartet, dass ich mich jetzt weniger oft mit meinen Freunden treffe, damit wir mehr Zeit als Familie haben und ich sie entlasten kann. Auch wenn wir diese Gedanken nicht aussprechen, haben sie trotzdem Einfluss auf unser Denken, Handeln und Fühlen. Und wenn Erwartungen nicht erfüllt werden, reagieren wir oft mit Enttäuschung, Trauer, Angst oder Wut. Wenn ich beispielsweise die Vorstellung habe, dass ich nur dann ein guter Vater bin, wenn mein Kind kaum weint, reagiere ich entnervt, gestresst oder mit Schuldgefühlen, wenn mein Kind manchmal lange weint. Wenn ich aber glaube, dass mein Kind durch Schreien seine Bedürfnisse mitzuteilen versucht, reagiere ich vermutlich entspannter und gelassener auf das Schreien und versuche mein Kind mit unterschiedlichen Angeboten zufriedenzustellen. Wir alle haben solche Vorstellungen und Erwartungen und es ist wichtig, dass und das bewusst wird. Und wir sollten auch als Eltern darüber reden: Wie möchte ich als Vater sein? Wie stelle ich mir unsere Beziehung nach der Geburt vor? Was ist mir in Bezug auf meine Freizeit besonders wichtig, wenn wir ein Kind haben? Im Idealfall sprechen wir schon vor der Geburt darüber. Aber auch wenn wir schon Kinder haben, sind solche Gespräche sehr hilfreich und vermutlich denken wir auch nicht mehr ganz gleich wie vor der Geburt. Nur wenn wir darüber reden, kann ich die Erwartungen meiner Partnerin verstehen, ihr meine Vorstellungen näherbringen und Unterschiede klären. Solche Gespräche bringen uns auch näher zusammen und helfen uns, uns als Paar weiterzuentwickeln und zu unterstützen.
Team-Work
Bleiben wir bei der Unterstützung: Wenn wir uns als Paar immer wieder gegenseitig unterstützen können, wird unsere Beziehung zu einem Ort, an dem wir uns sicher und wertgeschätzt fühlen und neue Energie tanken können. Und wenn wir Eltern werden, ist ein solcher Ort umso wichtiger. Eltern, die sich mehr unterstützen, erleben nicht nur ihre Beziehung, sondern auch ihr Elternsein positiver.
Es gibt verschiedene Formen der Unterstützung: Bei der ersten Form geht es mehr um die Gefühle, bei der zweiten mehr um konkrete Hilfe:
- Bei dieser Form der Unterstützung geht es darum, dass ich Verständnis für die Sorgen und Nöte meiner Partnerin zeige und sie wertschätze ("Du bist eine sehr gute Mutter!"), ihr Mut mache ("Ich glaube fest an dich, du schaffst das!") oder mich mit ihr solidarisiere ("In dieser Situation würde es mir genauso gehen wie dir"). Diese gefühlsbezogene Unterstützung ist sehr wichtig, damit wir uns geliebt und verstanden fühlen.
- Bei der zweiten Form geht es darum, dass ich meiner Partnerin ganz konkret Hilfe und Entlastung anbiete ("Ich kann unsere Tochter heute in die Krippe bringen, weil du so viel zu tun hast") oder mit ihr gemeinsam eine Lösung für ein Problem suchen. Auch diese problembezogene Unterstützung ist wichtig, damit wir gemeinsam den Alltag meistern können. Gerade als junge Eltern, brauchen wir das. Welche Unterstützung in einer Situation als hilfreich empfunden wird, kann sich aber im Laufe der Zeit ändern. Darum ist es wichtig, dass wir uns immer wieder mal eine Rückmeldung geben, was uns gutgetan hat.
Keine Zeit
Ja, ein Baby braucht sehr Aufmerksamkeit und Nähe und vor allem extrem viel Zeit. Für viele Dinge, die ich vor der Geburt getan habe, finde ich kaum noch Zeit. Das ist manchmal frustrierend und schwierig. Manchmal ist es auch gut, ein wenig darüber zu trauern und sich einzugestehen, dass Kinder trotz aller Freude immer auch Verzicht bedeuten. Auch unsere gemeinsame Zeit als Paar hat abgenommen. Oft wechseln wir nur ein paar Worte und wenn wir einmal einen gemeinsamen Abend haben, werden wir dauernd unterbrochen. Aber Zeit zu zweit ist die Grundvoraussetzung, um in der Beziehung zufrieden zu sein. Ich kann mich nicht zwischen Tür und Angel emotional öffnen. Dafür braucht es Zeit und Musse. Wenn uns solche Gespräche fehlen, werden wir uns fremd und wissen nicht mehr, was uns gegenseitig bewegt. Natürlich sind auch verbindende Erlebnisse wichtig. Darum ist es in diesem Übergang zum Eltern sein umso wichtiger, uns trotz chronischem Zeitmangel und allerlei Herausforderungen und Belastungen im Alltag gemeinsame Inseln zu schaffen. Dazu braucht es manchmal Vereinbarungen und fix eingeplante Termine, an denen wir exklusiv Zeit für uns als Paar haben. Wir müssen ja nicht immer etwas Grossartiges unternehmen. Es geht darum, dass wir uns wohl fühlen, die gemeinsame Zeit geniessen können uns es zwischendurch nur um uns beide geht. Um uns, und darum, was uns bewegt, freut und was wir uns wünschen. Diese Momente machen uns als Paar und als junge Eltern stark.
geschrieben von Noëmi Ruther
Unserem Kind ist nicht egal wie wir streiten
Streit ist nicht gleich Streit
Beziehungskonflikte gehören dazu. Auch wenn wir ein glückliches Paar sind, haben wir nicht immer die gleiche Meinung, die gleichen Bedürfnisse und die gleichen Wünsche. Da gibt es schon einmal Spannungen. Probleme anzusprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen bringt uns als Paar und als Familie weiter. Wenn sich solche Konflikte jedoch über Monate oder gar Jahre ziehen oder sehr intensiv und feindselig sind, hat das für uns Eltern, aber auch für unsere Kinder sehr negative Folgen.
Wie wir nicht streiten sollten
Man kann zwischen zwei Arten von ungünstigem Streiten unterscheiden. Beide Arten haben zur Folge, dass meine Partnerin und ich uns isolieren, weil wir nicht gemeinsam nach einer Lösung suchen, und wir uns mit der Zeit voneinander entfremden.
- Der offen-aggressiv ausgetragene Konfliktstil
Dieser Konfliktstil ist gekennzeichnet durch Verächtlichkeit und Provokation. Wir sind uns feindselig gestimmt und versuchen uns gegenseitig zu dominieren. Die Bemerkungen sind abfällig und gemein.
- Der passiv-aggressiven Konfliktstil
Bei diesem Konfliktstil reagieren wir mit der Zeit eher mit Rückzug, vermeiden offene Auseinandersetzungen, gehen uns aus dem Weg, sind passiv und resigniert. Unsere Kommunikation ist oberflächlich, rechtfertigend und wir weisen und gegenseitig die Schuld zu. Das Familienklima ist losgelöst oder unterschwellig gespannt und feindselig.
Glückliche Eltern, glückliche Kinder
Ob sich unsere Kinder gesund entwickeln können und es ihnen gut geht, hängt stark von unserer Liebe, Erziehung, Förderung und Fürsorge ab. Aber eben auch von der Qualität unserer Paarbeziehung. Weil diese unser Familienklima ziemlich stark beeinflusst. Eine glückliche Beziehung (in der man auch mal streitet) ist eine Grundlage für die emotionale Sicherheit und psychische Stabilität unserer Kinder. Eine unzufriedene Partnerschaft ist ein Nährboden für ein ungünstiges Familienklima, eine negative Beziehung zwischen uns Eltern und den Kindern (da häufig die Kinder in Konflikte zwischen den Eltern einbezogen werden), ungünstiges Erziehungsverhalten und gesundheitliche Probleme. Wenn Kinder längerfristig schlimmen Konflikten ausgesetzt sind, besteht ein grösseres Risiko, dass sie psychische Auffälligkeiten entwickeln.
Konfliktstil und Art der Verhaltensauffälligkeiten
Unsere Art Konflikte zu lösen, hat auch einen Einfluss auf die Art der Auffälligkeiten, die bei unseren Kindern entstehen können. So führen Konflikte, die in einem offenen-aggressiven Stil ausgetragen werden, eher zu Verhaltensauffälligkeiten wie aggressivem, antisozialem oder hyperaktivem Verhalten bis hin zu Delinquenz (Straffälligkeit). Ein passiv-aggressiver Konfliktstil führt bei den Kindern eher zu Depressionen und Angststörungen.
Was unseren Kindern hilft
Oft bleiben Paare mit niedriger Partnerschaftsqualität und chronischen Konflikten den Kindern zuliebe zusammen, machen dabei aber nicht viel dafür, dass ihre Beziehung wieder besser wird. Damit tun wir unseren Kindern leider nichts Gutes. Wenn es uns und unseren Kindern besser gehen soll, müssen wir dafür kämpfen, dass unsere Beziehung wieder besser wird. Bleiben alle Versuche aussichtslos, kann eine Scheidung tatsächlich die bessere Lösung sein als ein Alltag, der dauernd von Negativität und schlechten Gefühlen geprägt ist. Wenn wir als Eltern unsere Krise jedoch überwinden können, lernen unsere Kinder, dass Beziehungsprobleme eine Chance für positive Veränderung sein können und man Probleme gemeinsam bewältigen kann.
geschrieben von Noëmi Ruther
Verhaltenstherapeutische Paartherapie - Teil 1
Vielleicht bist du selbst gerade an dem Punkt, an welchem du in deiner Partnerschaft einfach nicht weiterweisst. Streitet ihr viel und kommt nicht auf einen gemeinsamen Nenner? Herrscht konstant schlechte Laune und du weisst nicht wieso? Oder fühlst du dich ruhig, merkst aber, dass ihr euch gegenseitig nichts mehr zu sagen habt? Dies könnten Gründe darstellen, sich als Paar in eine Therapie zu begeben. In der verhaltenstherapeutischen Paartherapie werden durch ein problem- und zielorientiertes Vorgehen wichtige Kompetenzen für eine starke Beziehung trainiert und Paare dazu befähigt, ihre Konflikte und Probleme selbst in die Hand zu nehmen. Wenn bei euch der Wunsch nach Veränderung da ist, dann könnte eine Paartherapie durchaus eine geeignete Option sein. Was genau bei dieser passiert, erkläre ich euch in den folgenden Abschnitten.
Alles auf Anfang
Wenn ihr in eure erste Therapiesitzung kommt, dann geht es primär einmal darum, eine optimale Grundlage zu schaffen, damit ihr euch als Paar im weiteren Verlauf der Therapie auch den tiefer sitzenden Themen und Problemen stellen könnt. Konkret bedeutet dies, eine vertrauensvolle Beziehung zum*r Therapeute*in aufzubauen, gemeinsamen Inseln für euch als Liebespaar zu schaffen (freie Zeit nur zu zweit) und eine positive Paarinteraktion aufzubauen. Ihr werdet in der Paartherapie lernen, wie man besser miteinander kommuniziert, Probleme effizienter löst und gemeinsam besser mit Stress umgeht. Diese Fertigkeiten werden zuerst einfühlsam durch den*die Therapeut*in gelehrt und sollen danach auch ausserhalb der Therapie im Beziehungsalltag trainiert und angewendet werden. Positivität stärken
Paare, welche in einer Krise stecken, haben meist mehr Negativität in ihrer Kommunikation und ihrem Verhalten. Es kann sein, dass euch das auch schon so ergangen ist. Man streitet sich häufiger als sonst, kommuniziert provokativ oder es herrscht einfach nur Langeweile in der Beziehung. Mit dem Reziprozitätstraining wird diese Negativität gesenkt und positive Verhaltensweisen, wie das gegenseitige Loben, liebevoll zueinander sein, Komplimente machen und sich Aufmerksamkeit schenken, verstärkt. Gleichzeitig werden negative Interaktionen, wie Provokationen oder Dominanz in der Kommunikation, verallgemeinernde Kritik («du bist immer..», «nie hast du..», etc.) aber auch Rückzugsverhalten, abgebaut. Je positiver die Paarinteraktion, desto positiver sind auch die Erwartungen auf die Reaktion des jeweils anderen, was die Bearbeitung von tiefer gehenden Themen vereinfacht. Da zu Beginn einer Beziehung meistens aufmerksam und liebevoll miteinander umgegangen wird, ist diese Übung eigentlich nicht mehr, als das Wiederherstellen dessen, was bereits einmal da war. Deshalb ist diese Übung bestens für den Therapiebeginn geeignet, weil sie bewältigbar ist und somit dem Paar das motivierende Gefühl gibt «wir können das».
Sprechen und zuhören
Nachdem die ersten Grundsteine gelegt sind, ist das Kommunikationstraining eines der Hauptbestandteile der verhaltenstherapeutischen Paartherapie. Dabei werden euch Regeln gezeigt, mit welchen ihr eigene Bedürfnisse richtig ansprecht und euerGegenüber empathisch dabei zuhört. Das Kommunikationstraining ist daher ein Mittel zum Zweck und ermöglicht Paaren, besser aufeinander eingehen zu können. Denn nur mit einer angemessenen Kommunikation können auch wichtigere, tiefer liegende Themen angesprochen werden. Welche Ausdrücke sollen also in einem konstruktiven Austausch vermieden werden? Auf der Sprecherseite sind das Generalisierungen («immer bist du zu spät», «nie hast du Zeit für mich», etc.), Du-Botschaften («du kümmerst dich nie um unsere Beziehung», «es ist alles deine Schuld», etc.), Attackieren und Forderungen von Verhaltensveränderungen, sowie das Abschweifen in die Vergangenheit. Klassische Kommunikationsfehler bei der zuhörenden Person sind häufiges Unterbrechen, fehlendes Zuhören und Verharren auf dem eigenen Standpunkt, als auch das Aufdrücken der eigenen Meinung. Konkret werden daher je 3 Regeln für den Zuhörenden und den Sprechenden etabliert. Als Sprechende*r sollte man aus der Ich-Form erzählen und stets aus eigenen Erfahrungen berichten, sich auf konkrete Beispiele beziehen (statt zu pauschalisieren) und die genaue Gefühlslage beschreiben (welche Gefühle hat eine bestimmte Situation in mir ausgelöst). Für den*die Zuhörerende*n ist es wichtig, aktiv zuzuhören (mit unterstützendem Kopfnicken und Blickkontakt), zwischendurch das Gesagte zusammenfassen und offene Fragen stellen, falls etwas nicht verständlich war, um eigene Interpretationen zu vermeiden.
Probleme gemeinsam lösen
Neben der Kommunikation wird auch die Fähigkeit als Paar, Probleme zu lösen, in der verhaltenstherapeutischen Paartherapie trainiert. Das Ziel dabei ist es, Alltagsprobleme besser regeln zu können, damit diese erst gar nicht für Turbulenzen in der Beziehung sorgen. Hast du dich auch schon mal geärgert, weil dein*e Partner*in den Müll nicht rausgebracht hat? Du kommst nach Hause und es herrscht ein riesiges Chaos? Oder es steht Besuch von den Schwiegereltern an, doch eigentlich hast du gar keine Zeit dafür? In nur wenigen Schritten lernt ihr in der Paartherapie, wie ihr solche Probleme richtig adressieren könnt, gemeinsam dafür nach Lösungen sucht, diese nach ihrer Güte bewertet und schliesslich konkretisiert, wie genau ihr das Problem angehen wollt. Danach lernt ihr auch, diesen Lösungsversuch anzuwenden und schliesslich zu evaluieren, wie gut diese Lösung in der Realität funktioniert hat.
Wie ihr seht, gibt es viele gute Gründe, eine Paartherapie zu besuchen. Die Prozesse werden langsam und behutsam durch den Therapeuten eingeleitet. Gerade in den ersten Sitzungen sind die Aufgaben einfacher zu bewältigen, so dass ihr eine gute Beziehung zum*r Therapeute*in aufbauen und erste Kompetenzen, wie Kommunikation und Problem lösen, erlernen könnt. Nach und nach werdet ihr beobachten können, wie ihr als Paar gemeinsam wächst und euch Schritt für Schritt dem wahren Kern eurer Beziehungsprobleme nähert. Für die weiteren Elemente der Verhaltenstherapie für Paare könnt ihr gerne den zweiten Teil des Blogs durchlesen, damit ihr auch ganz genau wisst, was euch erwartet.
Dieser Eintrag basiert auf dem Artikel Verhaltenstherapeutische Paartherapie von Guy Bodenmann und Corina Merz aus dem Jahr 2012.
geschrieben von Rebecca Vollenweider
Verhaltenstherapeutische Paartherapie - Teil 2
Im ersten Teil habt ihr bereits erfahren, wie die ersten Schritte einer Verhaltenstherapie für Paare aussehen, vom Beziehungsaufbau zur therapierenden Person bis hin zum Kompetenztraining und Probleme lösen. Jetzt ist das Paar in der Verhaltenstherapie in der Regel so weit, dass sie gelernt haben, ihre Probleme direkt anzusprechen und auch einander zuzuhören sowie gemeinsam nach Lösungen für anstehende Probleme zu suchen. Mit diesem stabilen Fundament geht es nun daran, auch tiefergehende Themen angemessen anzusprechen und den Kern der Partnerschaftsstörung herauszufinden.
Der Kern des Problems
Anhand der Trichtermethode wird nun bei der sprechenden Person nach den Wurzeln der für ihn*sie schlimm empfundenen Situation gesucht. Während sich das Paar gegenübersitzt, unterstützt der*die Therapeut*in die sprechende Person darin, die erlebten Emotionen in der konkreten Situation nochmals nachzufühlen und zu explorieren, weshalb die Situation so belastend war. Vielleicht war nicht das fehlende Heraustragen des Abfalls der Auslöser für Wut oder Traurigkeit, sondern das dabei entstandene Gefühl, nicht gehört zu werden. Vielleicht haben auch bei euch solche Alltagskonflikte zu starken Emotionen geführt. Diese werden daher dank der Trichtermethode auf ihre Ursachen zurückverfolgt. In diesem Prozess sind beide Partner*innen miteinbezogen, denn es geht um das empathische Verstehen des Erlebten des anderen. Dabei wird Intimität aufgebaut, in welcher sich beide Seiten komplett öffnen und so die verwirrenden Stressgefühle und belastenden Emotionen konkret auf die zugrundeliegenden Ursachen zurückführen können. Durch die intime, emotionale Begegnung machen sich die beiden Partner*innen zu ihren engsten Vertrauten und stärken das «Wir-Gefühl» enorm.
Sich hören und unterstützen
Wenn einmal alle Karten auf dem Tisch sind und Paare Stärke aus ihrem «Wir-Gefühl» schöpfen, geht es nun darum, dass die zuhörende Person adäquat auf die Selbstöffnung des Anderen reagiert. Durch eine empathische Haltung, welche durch die emotionale Therapie-Situation entsteht, wird das Gegenüber unterstützt. Es können dabei verschiedene Techniken angewendet werden, wie das Entgegenbringen von Wertschätzung, Solidarisieren, Mut machen, zärtlich sein oder Hilfe anbieten, gewisse Situationen umzubewerten. Nicht jeder Mensch ist gleich, manche brauchen eher körperlichen Support, andere motivierende oder tröstende Worte und dritte vielleicht einfach das Gefühl, dass einem geglaubt wird. Wichtig in jedem Fall ist, dass die Unterstützungsleistung auf die Emotionen gerichtet sind und gleich problemlöse Charakter haben. Oftmals lösen emotionsbezogene Unterstützungsleistungen das Problem von alleine. Habt ihr als Paar schon Erfahrungen mit solchen Situationen gemacht? Weisst du, welche Art dein*e Partner*in besonders schätzt.
Rückmeldung geben
Doch kann aber eine Unterstützungsleistung, obschon sie wohlwollend und gut gemeint war, von dem*der Partner*in als nicht passend empfunden werden. Deswegen ist es immer auch wichtig, dass der*die Unterstützungsempfänger*in rückmeldet, was sie* oder er* benötigt hätte, passender gewesen wäre oder als Ergänzung gewünscht hätte. Denn nur, wenn beide Partner*innen auch lernen, wie genau sie aufeinander eingehen sollen, können auch zukünftig tiefe Gefühle und schwierige Situationen gemeinsam besprochen werden. Würdest du dich deinem*r Partner*in weiterhin öffnen, wenn du wüsstest, dass er*sie sowieso nicht so auf dich eingehen kann, wie du dir das wünschen würdest?
Eine Frage der Erwartung
Ein Teilaspekt der verhaltenstherapeutischen Paartherapie kann daraus bestehen, dass man mit den Erwartungen und Einstellungen des Paares arbeitet. Hast du dich auch schon mal dabei ertappt, wie du deinen Schatz um etwas gebeten hast und gleichzeitig gedacht hast «er*sie macht das sowieso nicht»? Oder glaubst du, dass dein*e Partner*in wissen müsste, wie es dir geht, ohne, dass du etwas sagen musst? Dies sind Erwartungen und Einstellungen, die dysfunktional sind, sprich, sie führen in der Partnerschaft zu Enttäuschung und Frustration. Daher kann man mit verschiedenen Mitteln lernen, diese dysfunktionalen Annahmen in funktionale umzuwandeln. Beispielsweise kann eine Pro- und Kontraliste dabei helfen, gemeinsam verschiedene Szenarien durchzugehen und zu schauen, was dafür und dagegen spricht und Erwartungen klären. Ziel ist es, realistische Erwartungen und angemessene Einstellungen zu erlernen.
Gegenseitige Toleranz
Ein Thema, das vielleicht nicht in der ersten Phase des Verliebtseins aktuell ist, aber sich oft gleichzeitig mit dem Alltag in die Beziehung schleicht, ist das Thema der Toleranz. Wie oft hast du Dinge an deinem Gegenüber bemerkt, die dir auf den Keks gehen? Vielleicht sind es kleine Sachen oder auch grössere, aber irgendwie kommt das Gefühl auf von «er*sie muss sich ändern». Die Akzeptanzarbeit in der Verhaltenstherapie für Paare ist wichtig, wenn es darum geht zu lernen, die Bedürfnisse des jeweils anderen zu respektieren. Das Paar soll dazu das Problem als gemeinsamen «Feind» sehen und von aussen betrachtet darauf eingehen. Die Partner*innen sollen Toleranz gegenüber den eigenen Freiräumen entwickeln und lernen, dass auch eine gewisse Unabhängigkeit zu einer Partnerschaft gehören kann. Wenn aber ein Verhalten verletzend oder störend ist, geht es nicht lediglich darum, dieses Verhalten zu akzeptieren lernen. Schliesslich ist die Idee die, dass im Paar störendes Verhalten angesprochen und ein Raum von akzeptierenden Verhaltensänderungen geschaffen wird, der den Bedürfnissen beider gerecht wird. Kurzum, es braucht Kompromissbereitschaft.
Natürlich können neben dem Erlernen diverser Fähigkeiten zur Kommunikation und Problemlösung auch einzelne Themen in der Therapie aufgegriffen werden. Edukation zu den verschiedensten Themen wie Untreue, Sexualität oder Verzeihen und Versöhnen können bei Bedarf in die Paartherapie miteingebaut werden. Ihr seht also, dass man bei der Paartherapie viele Dinge lernt, die essentiell sind für eine Beziehung, die man aber weder in der Schule noch sonst wo wirklich erklärt bekommt. Durch das gemeinsame Arbeiten als Paar wird nicht nur der Knoten in der Partnerschaft gelöst, sondern das Paar stärkt das Wir-Gefühl und die Wahrnehmung, als Team gemeinsam stark zu sein und zukünftige Herausforderungen gemeinsam zu meistern. Für weitere Auskünfte betreffend Paartherapie meldet euch am besten direkt beim Psychotherapeutischen Zentrum der Universität Zürich.
Dieser Eintrag basiert auf dem Artikel Verhaltenstherapeutische Paartherapie von Guy Bodenmann und Corina Merz aus dem Jahr 2012.
geschrieben von Rebecca Vollenweider
Verrückt nach dir
Weisst du noch...
Erinnerst du dich daran, wie du am Anfang eurer Beziehung immer richtig stolz warst, wenn dein*e Partner*in in einer Runde das Wort ergriff und mit ihrer klugen Art brillierte? Oder wie du deine*n Partner*in fasziniert dabei beobachtest hast, wie er für eure Gäste innerhalb kürzester Zeit ein exquisites Menu hervorzauberte, auch wenn die Küche danach wie ein Schlachtfeld aussah? Weißt du noch, wie du dein*e Partner*in immer bewundert hast, wenn sie einen Streit der Kinder so unglaublich geschickt und konstruktiv schlichten konnte? Und gab es nicht Momente, in denen es dir wie ein Wunder vorkam, dass du zufällig mit dem schönsten Mann der Welt zusammenlebst? Auch wenn wir solche Gefühle und Gedanken im Verlauf einer Beziehung nicht mehr täglich haben, halten sie die Beziehung doch lebendig und attraktiv. Die Faszination für dein*e Partner*in bleibt ein wichtiger Aspekt einer glücklichen und zufriedenen Beziehung. Besonders unsere Lust auf Sex lebt davon, dass wir einander immer wieder attraktiv und begehrenswert finden.
Sex & Beziehung
Burri, Radwan & Bodenmann (2014) untersuchten deshalb in einer Studie, wie die Faszination für die Partnerin und den Partner, die Beziehungsqualität, die Beziehungszufriedenheit und die sexuelle Funktionsfähigkeit zusammenhängen. Letztere wurde mittels Fragen sowohl zur sexuellen Funktionsfähigkeit der Frau (Lustempfinden, Erregung, Lubrikation[1], Orgasmus, sexuelle Zufriedenheit, Schmerzen beim Sex), als auch zu Erektionsstörungen oder frühzeitiger Ejakulation beim Mann erfasst. In einer anonymen Online-Untersuchung befragten die Forschenden 70 Schweizerinnen und Schweizer. Dabei fanden sie keine Unterschiede in den Ausprägungen zwischen Frauen und Männern. Nur in Bezug auf einen spezifischen Aspekt der Beziehungsqualität zeigte sich, dass sich Männer im Durchschnitt durch die Beziehung stärker in ihrer Autonomie eingeschränkt fühlten als Frauen. Ein Ergebnis, das einige vielleicht bereits in der eigenen Beziehung oder in ihrem Umfeld beobachten konnten...
Erinnerst du dich daran, wie du am Anfang eurer Beziehung immer richtig stolz warst, wenn dein*e Partner*in in einer Runde das Wort ergriff und mit ihrer klugen Art brillierte? Oder wie du deine*n Partner*in fasziniert dabei beobachtest hast, wie er für eure Gäste innerhalb kürzester Zeit ein exquisites Menu hervorzauberte, auch wenn die Küche danach wie ein Schlachtfeld aussah? Weißt du noch, wie du dein*e Partner*in immer bewundert hast, wenn sie einen Streit der Kinder so unglaublich geschickt und konstruktiv schlichten konnte? Und gab es nicht Momente, in denen es dir wie ein Wunder vorkam, dass du zufällig mit dem schönsten Mann der Welt zusammenlebst? Auch wenn wir solche Gefühle und Gedanken im Verlauf einer Beziehung nicht mehr täglich haben, halten sie die Beziehung doch lebendig und attraktiv. Die Faszination für dein*e Partner*in bleibt ein wichtiger Aspekt einer glücklichen und zufriedenen Beziehung. Besonders unsere Lust auf Sex lebt davon, dass wir einander immer wieder attraktiv und begehrenswert finden.
Sex & Beziehung
Burri, Radwan & Bodenmann (2014) untersuchten deshalb in einer Studie, wie die Faszination für die Partnerin und den Partner, die Beziehungsqualität, die Beziehungszufriedenheit und die sexuelle Funktionsfähigkeit zusammenhängen. Letztere wurde mittels Fragen sowohl zur sexuellen Funktionsfähigkeit der Frau (Lustempfinden, Erregung, Lubrikation[1], Orgasmus, sexuelle Zufriedenheit, Schmerzen beim Sex), als auch zu Erektionsstörungen oder frühzeitiger Ejakulation beim Mann erfasst. In einer anonymen Online-Untersuchung befragten die Forschenden 70 Schweizerinnen und Schweizer. Dabei fanden sie keine Unterschiede in den Ausprägungen zwischen Frauen und Männern. Nur in Bezug auf einen spezifischen Aspekt der Beziehungsqualität zeigte sich, dass sich Männer im Durchschnitt durch die Beziehung stärker in ihrer Autonomie eingeschränkt fühlten als Frauen. Ein Ergebnis, das einige vielleicht bereits in der eigenen Beziehung oder in ihrem Umfeld beobachten konnten...
Frauen, die von einer stärkeren Faszination für ihren Partner berichteten, gaben an, auch mit dem Sex zufriedener zu sein und weniger Schmerzen zu haben. Ebenfalls hing bei Frauen die Beziehungsqualität mit Lustempfinden und sexueller Zufriedenheit zusammen sowie mit den Angaben zur Häufigkeit eines Orgasmus oder von Schmerzen beim Sex (jedoch nicht mit Erregung oder Lubrikation). Frauen, die also in einer Beziehung mit höherer Beziehungsqualität waren, schienen auch ein intaktes Sexleben mit weniger sexuellen Problemen zu haben. Sowohl bei Frauen und Männern wurde ein Zusammenhang zwischen Faszination und Beziehungsqualität sichtbar. Bei Frauen, die stärkere Faszination für ihren Partner berichteten, war der Zusammenhang zwischen Beziehungszufriedenheit und sexueller Funktionsfähigkeit im Durchschnitt weniger stark. Dies könnte bedeuten, dass das Sexleben von Frauen, die zwar nicht immer ganz zufrieden mit ihrer Beziehung waren, ihren Partner jedoch als attraktiv und faszinierend wahrnahmen, nicht so stark litt. Bei den Männern fand sich kein Zusammenhang zwischen der Faszination für die Partnerin und den sexuellen Aspekten. Auch die Beziehungsqualität oder -zufriedenheit hing nicht mit der sexuellen Funktionsfähigkeit zusammen.
In Kürze
Wenn Frauen mit ihrer Beziehung zufriedener sind, scheinen sie tendenziell weniger sexuelle Probleme zu haben. Bei den Männern wurde dieser Zusammenhang in der Studie nicht gefunden. Sowohl bei Frauen, als auch bei Männern hing die Faszination für das Gegenüber jedoch mit der Beziehungszufriedenheit zusammen (bei Frauen ein wenig stärker). Frauen mit stärkerer Faszination für den Partner berichteten über mehr sexuelle Lust und weniger Schmerzen beim Sex. Sie waren zufriedener mit ihrem Sex-Leben und berichteten weniger sexuelle Probleme als Frauen, die nur geringe Faszination für den Partner verspürten. Zusammen mit Ergebnissen aus anderen Studien, verweisen die Resultate darauf, dass Frauen und Männer beim Sex tatsächlich anders „ticken“. Natürlich ist jede Person und jedes Paar unterschiedlich und es gibt nicht die weibliche oder die männliche Sexualität. Doch in der Tendenz scheint es, dass besonders für Frauen ein gewisses Mass an Faszination für den Partner sowie ein gewisses Mass an Nähe und Intimität wichtig sind, um sich ganz auf den Sex einzulassen und diesen auch geniessen zu können.
Sich wieder verzaubern lassen
Es ist also wichtig, als Paar über die unterschiedlichen Bedürfnisse zu reden. Unterschiede sind in Ordnung und können das Sexleben sogar bereichern. Die Faszination für den Partner, die für Frauen ein wichtiges Element zu sein scheint, kann bewusst gepflegt werden! Natürlich kennt man nach all den Jahren auch die weniger faszinierenden Seiten des Partners. Aber kocht er nicht immer noch genau so gut? Und gefällt mir ihr Humor nicht immer noch? Vielleicht könnt ihr euch bei einem gemeinsamen Spaziergang wieder einmal überlegen, was euch aneinander besonders gefällt und fasziniert? Manchmal ist es schwierig im hektischen Alltag und zwischen herumliegenden Socken diese Faszination wieder aufleben zu lassen. Dann kann ein Tapetenwechsel schon viel bewirken. Es müssen nicht immer gleich Ferien auf den Malediven sein. Sich wieder einmal hübsch zu machen und gemeinsam in einem Restaurant in der Nähe zu essen, zusammen einen Vortrag oder einen Kurs zu besuchen oder auch nur für eine Nacht ein Hotel zu buchen – ohne Socken und andere wenig faszinierende Dinge, kann ein erster kleiner Schritt sein, um die Faszination wieder aufleben zu lassen.
Dieser Eintrag basiert auf der Studie The role of partner-related fascination in the association between sexual functioning and relationship satisfaction.
[1] Lubrikation bezeichnet das Austreten von Vaginalsekret bei Erregung („feucht werden“).
geschrieben von Noëmi Ruther
Von der Kunst richtig zu streiten
Geld, Kinder, Schuhe
Streit mit dem*r Partner*in kennen wir alle. Manchmal sind es Konflikte über die kleinen Dinge des Alltags: Wie viele Schuhe dürfen vor der Tür stehen und soll das Fenster beim Schlafen offen oder geschlossen sein? Manchmal sind es aber auch grössere Themen, die zu Streit führen: Kindererziehung, Geld oder Nähe und Distanz. Per se ist ein Konflikt nicht schlecht für eine Beziehung. Es ist sogar sehr wichtig, dass wir gewisse Konflikte auszutragen, wenn unsere Beziehung langfristig für beide befriedigend sein soll. Sogar die Forschung zeigt, dass glückliche Paare nicht unbedingt weniger streiten als unglückliche Paare. Aber sie streiten anders...
In der Hitze des Gefechts
In der Hitze des Gefechts passiert es nicht selten, dass man den Anderen angreift, ihm Vorwürfe macht und dabei ein bisschen übertreibt: Immer!! Nieee! Oder man provoziert den*die Partner*in, indem man Fragen stellt, die er eigentlich gar nicht beantworten kann: "Willst du jetzt wirklich jeeeden Abend mit mir über das reden?!" Manchmal reagiert man vielleicht auch ganz schön abschätzig: "Nicht schon wieder dieses Thema, du tust echt unnötig kompliziert!" Und einige kennen auch das Phänomen des „Mauerns“: Ein*e Partner*in klinkt sich quasi aus, wendet den Blick ab, dreht sich weg, beginnt etwas zu lesen oder verlässt den Raum. Solche Muster machen es nicht nur schwieriger, den Konflikt aufzulösen, wenn sie immer wieder vorkommen wirken sie sich mit der Zeit auch schlecht auf unsere Beziehung aus.
Wie dann?
Wenn ich angriffslustig oder destruktiv bin, ist das häufig Ausdruck einer oberflächlichen Wut oder Erregung. Aber dahinter steckt meist eine Verletzung, Angst oder Unsicherheit. Vielleicht bin ich ziemlich wütend, weil der Müllsack immer noch mitten im Gang steht und zetere: „Hast du den Müll noch immer nicht rausgebracht? Immer muss ich dich daran erinnern, ich hab langsam echt keine Lust mehr an alles zu denken!" Doch wenn man tiefer gräbt, bin ich eigentlich verletzt, weil ich das Gefühl habe, dass meinem*r Partner*in unser Zusammenleben, ein schönes gemeinsames Daheim und damit auch unsere Beziehung nicht so wichtig sind. Solange ich aber auf einer oberflächlichen Ebene mit meinem Partner rede oder besser gesagt, wir uns über den Müll streiten, ist es nicht möglich, einander wirklich zu verstehen. Viel wahrscheinlicher ist, dass wir uns beide angegriffen fühlen und uns entsprechend verteidigen. Darum ist der Schlüssel zu einer konstruktiven Konfliktkommunikation, dass ich versuche zu verstehen, was hinter der Wut liegt – bei mir selbst und auch bei meinem*r Partner*in. Um den Anderen verstehen zu können, muss ich mich voll und ganz auf ihn einlassen und die eigenen Gedanken und Argumente für einen Moment zurückstellen. Nicht immer einfach, aber um weiterzukommen muss ich in diesem Moment wirklich zuhören. Wirklich zuhören heisst, aktiv dabei zu sein und wohlwollend nachzufragen, um das Erleben des Anderen noch besser zu verstehen. Manchmal ist es sogar sinnvoll, das Gesagte kurz zusammenzufassen. Das hilft mir, wirklich aufzunehmen, was mein*e Partner*in gesagt hat, beugt Missverändnissen vor und mein*e Partner*in fühlt sich gehört und verstanden. Die Zuhörerrolle braucht viel Selbstbeherrschung. Wenn ich das weiss und sehe, dass sich mein Partner mir gegenüber als Zuhörer bemüht, kann ich es ihm leichter machen, wenn ich in der Sprecherrolle konkret bei der Situation bleibe, nicht verallgemeinere (immer! Nieee!) und beim Thema bleibe. Und wichtig ist auch, nicht ewig über die sachlichen Aspekte zu sprechen, sondern vor allem die eigenen Gefühle und Gedanken dazu zu äussern.
Wenn es trotzdem kracht
Trotz guter Vorsätze kann es passieren, dass ich mich so fest aufrege, dass ich gar nicht mehr konstruktiv diskutieren, geschweige denn zuhören kann. Dann ist es wichtig, den Konflikt zu unterbrechen und auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Sonst verletzten wir uns nur unnötig und eine Lösung finden wir auch nicht. Dabei geht es nicht darum, den Konflikt einfach ungeschehen zu machen oder zu vergessen. Wir können sogar einen fixen Zeitpunkt festlegen, an dem wir wieder darüber sprechen, vielleicht in einer Stunde, am Abend oder auch am nächsten Tag. Aber oft hilft es, sich zuerst selbst zu beruhigen und die Gedanken zu ordnen, einen Spaziergang zu machen oder eine Tasse Tee zu trinken. Eine Idee ist auch, regelmässige Termine abzumachen, an denen wir in einer entspannten Atmosphäre über heikle Themen sprechen und gemeinsam nach Lösungen suchen.
geschrieben von Noëmi Ruther
Warum sich Paare trennen
Wie kommt es dazu, dass man sich ewige Liebe verspricht, «in guten wie in schlechten Zeiten» und doch werden in der Schweiz über 40% aller Ehen geschieden (Bundesamt für Statistik, 2020)? Die gute Nachricht bereits voraus: Es werden mangelnde Kompetenzen innerhalb der Partnerschaft verantwortlich gemacht, welche unter anderem zur Auflösung der Ehe führen können. Und diese Kompetenzen kann man trainieren, wenn die Partnerschaft noch intakt ist. Das heisst, wer vorsorgt, kann eine Scheidung verhindern. Natürlich soll auch gesagt sein, dass eine Scheidung nicht per se nicht nur schlecht ist. Manchmal wachsen zwei Menschen einfach auseinander und verspüren dann keine emotionale Nähe mehr zueinander. Das ist ein natürlicher Prozess. Schauen wir uns einmal näher an, was die Forschung zum Thema Scheidung herausgefunden hat.
Mancher mag sich gar fragen, wieso Menschen heute überhaupt noch heiraten. Diese Frage ist berechtigt, denn in der heutigen Zeit stellen viele die klassischen Beziehungsmodelle in Frage. Wissenschaftliche Studien zeigen jedoch, dass eine erfüllende Beziehung immer noch als sehr wichtig für die Lebensqualität eingestuft wird und als eine Art Schutzfaktor für psychische und körperliche Störungen fungiert. Diese Studien konnten sogar darlegen, dass fehlende oder unbefriedigende soziale Beziehungen das Mortalitätsrisiko um 50 % erhöhen. Auch Scheidungen erhöhen das Mortalitätsrisiko. Wenn man eine Partnerschaft direkt bei Eheschliessung untersucht, bezeichnen sich 85 bis 95 Prozent der Paare als glücklich und würden nie an eine Scheidung denken. Diese Zahlen sinken aber mit fortschreitender Beziehungsdauer drastisch. Jedoch zeigen neuere Forschungsresultate, dass es nicht «die eine Beziehung» gibt, sondern, dass Beziehungsverläufe in unterschiedliche Klassen eingeteilt werden können, bei welchen nicht alle eine stetige Verschlechterung der Beziehungsqualität aufweisen. Wenn man diese einzelnen Klassen untersucht, erkennt man, dass nicht das Level der Beziehungszufriedenheit zu Beginn der Partnerschaft entscheidend für die Scheidungsrate ist, sondern vielmehr das Ausmass, in welcher sich die Beziehungsqualität über die Zeit hinweg verändert. Auch soziale, juristische und religiöse Aspekte haben einen Einfluss auf die Anzahl der Scheidungen.
Die Forscher Karney und Bradbury (1995) haben in einer ihrer Studie 3 Hauptprädikatoren entdeckt, welche relevant für Scheidungen sind: 1) Persönlichkeitsmerkmale der Partner*innen, 2) belastende Ereignisse und Stress sowie 3) mangelnde Kompetenzen in der partnerschaftlichen Interaktion. So konnten die Forscher zum ersten Punkt aufzeigen, dass das Scheidungsrisiko unter anderem genetisch bedingt ist. Menschen mit Eltern, welche sich scheiden liessen, haben ein höheres Risiko, selbst eine Scheidung in der eigenen Ehe zu erleben. Auch psychische Instabilität gehört zu den Faktoren, welche eine Scheidung begünstigen. Zu den mangelnden Kompetenzdefiziten gehören unter anderem die Kommunikationsfähigkeiten in der Beziehung, wie beispielsweise verallgemeinernde Kritik, Verachtung, Defensivität (sich stetig immer verteidigen) und das Mauern. Eine mangelnde Kommunikation gehört demnach zu den Vorhersagefaktoren für eine Scheidung. Zusätzlich gehören Commitmentdefizite und die emotionale Distanzierung zum*r Partner*in zu den Kompetenzdefiziten.
Negative Interaktionen in einer Partnerschaft sind aber nicht per se immer schlecht, denn Streit oder Uneinigkeiten gehören auch zu den besten Partnerschaften dazu. Vielmehr geht es darum, in welchem Verhältnis positive und negative Partnerschaftsinteraktionen auftreten. Dafür entwickelte Gottman (1993) die Balancetheorie der Partnerschaft. Diese besagt, dass auf jede negative Interaktion in einer Beziehung mindestens 5 positive Interaktionen folgen müssen. Auch wissenschaftliche Studien bestätigen, dass vor allem dieser ausgleichende Akt der Partner*innen durch positiven Interaktionen wichtig für die Stabilität der Partnerschaft ist. Ein anderes Modell zur Balance in einer Beziehung ist das Austauschtheoretische Scheidungsmodell von Lewis und Spanier (1979). Dort werden auf zwei Dimensionen a) die Partnerschaftszufriedenheit und b) die Beziehungsstabilität beschrieben. Zur Partnerschaftszufriedenheit gehören die Nutzen und Kosten einer Beziehung, welche sich gegenseitig ausgleichen. Nutzen können beispielsweise Liebe, Geborgenheit, emotionale Nähe oder die befriedigende Sexualität darstellen, während zu den Kosten Konflikte, persönliche Einschränkungen oder eine anstrengende Eigenschaft der anderen Person gehören. Zur Beziehungsstabilität gehören Alternativen und Barrieren. Bei Alternativen meinen die Autoren die subjektive Einschätzung der Partner*innen, ob sie ausserhalb der Beziehung andere noch attraktivere Partner*innen finden könnten. Zu den Barrieren zählt man die hohen Kosten einer Scheidung oder auch gemeinsame Kinder. Ein hohes Scheidungsrisiko besteht demnach, wenn die Kosten gegenüber dem Nutzen sehr hoch sind und die Beziehung zudem nicht stabil ist (wenig Barrieren resp. attraktivere Alternativen).
Natürlich gibt es noch viele weitere Theorien und Perspektive aus der Forschung. Sie alle führen jedoch zum Resultat, dass die partnerschaftlichen Kompetenzen beider Partner*innen hochrelevant sind für eine funktionale, gesunde Beziehung. Besonders die dysfunktionale Kommunikation scheint für die Partnerschaftszufriedenheit ausschlaggebend zu sein. Und diese wird besonders dann auf die Probe gestellt, wenn das Paar mit Alltagsstress zu kämpfen hat. In diesem Zusammenhang hat Bodenmann ein stresstheoretisches Scheidungsmodell entwickelt, welches den zerstörerischen Effekt von Alltagsstress auf die Partnerschaft beschreibt. Dies führt zu einer Art aushöhlendem Prozess, welcher dazu beiträgt, dass sich Partner*innen nach und nach emotional voneinander distanzieren. Denn durch Stress wird die gemeinsame Zeit als Paar reduziert, wodurch die Gelegenheiten für persönlichen Austausch abnehmen und die dyadische Kommunikation beeinträchtigt wird. Dies erhöht das Risiko für körperliche und psychische Störungen und enthüllt dysfunktionale Persönlichkeitszüge des*der Geliebten*.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Forschung schon viele Gründe für Scheidungen entdecken sowie Prozesse bis dorthin aufdecken konnte. Die Hauptgründe für Scheidungen sind dysfunktionale Charakterzüge der Partner*innen und mangelnde dyadische Kompetenzen. Das Gute daran ist, dass man letzteres als Paar wieder erlernen und trainieren kann. Es gilt, in die Partnerschaft zu investieren, wer lange glücklich und zufrieden bleiben will.
Dieser Eintrag basiert auf der Forschung von Martina Zemp & Prof. Dr. Guy Bodenmann (2013) "In guten wie in schlechten Zeiten? - Warum schlechte Zeiten in Scheidung enden können"
geschrieben von Rebecca Vollenweider
Was ich dir wieder einmal sagen wollte
Was ich dir wieder einmal sagen wollte
Jedes Mal, wenn der Geburtstag meiner Partnerin vor der Tür steht, beginnen meine Gedanken wieder zu drehen: WAS SCHENKE ICH IHR? Einen neuen Pulli, ein Parfum oder einfach Schokolade? Aber vielleicht muss es gar nicht immer etwas Materielles sein. Der Geburtstag, Valentinstag, Hochzeitstag oder Jahrestag bieten eine gute Möglichkeit darüber nachzudenken, was ich an meiner Partnerin eigentlich besonders mag. Wofür möchte ich ihr schon lange wieder einmal danken und wann habe ich ihr das letzte Mal gesagt, wie umwerfend schön ich ihr Lachen finde? Und wie wäre es, wenn ich ihr auch im Alltag mal wieder ein Lächeln schenken würde, ihr zwischendurch ein kleines Kompliment machen und mal kurz nachfragen würde, wie es ihr geht? Eigentlich braucht das doch jeder. Und in der Beziehung erst recht.
Let’s do something
Wir erinnern uns alle gerne an schöne Erlebnisse mit der Partnerin: Die Ferien am Meer, den Ausflug in die Berge, die gemeinsam besuchte Ausstellung im Museum, den Tanzkurs vor ein paar Jahren. Auch diese schönen Erinnerungen können Ideen für ein Geburtstagsgeschenk liefern: Zum Beispiel ein Überraschungsflug, wo wir wieder einmal bewusst zusammen Zeit verbringen und etwas Schönes erleben. Oder vielleicht ein zweiter Tanzkurs? Natürlich soll es etwas sein, von dem ich weiss, dass es ihr auch Freude und Spass macht – Wandern ist nun mal nicht jedermanns Sache. Und wie wäre es, auch im Alltag zwischendurch eine kleine Überraschung einzubauen – eine Massage oder ein gemeinsames Bad anbieten oder mit einem Dessert überraschen?
Nicht mehr wie früher
Manchmal ist es nicht einfach zu merken, dass die Partnerin sich vielleicht gar nicht mehr so über die Dinge freut, die sie am Anfang mochte. Vielleicht möchte sie jetzt mit den Kindern nicht mehr immer Bücher bekommen, weil sie momentan sowieso nicht zum Lesen kommt und die Schachtel Pralinen stösst auch nicht gerade auf Interesse, während dem sie versucht, nach der Schwangerschaft wieder in Form zu kommen. Oder ich freue mich selbst gar nicht mehr darüber, wenn am Wochenende Freunde und Schwiegereltern zum Essen eingeladen werden, weil mein Job mir momentan so viel an Austausch abverlangt, dass ich das Wochenende lieber ruhig verbringen will. Wir müssen immer wieder darüber reden, wie sich unsere Bedürfnisse verändern und dies einander vielleicht auch erklären. Auch wenn es manchmal schwierig ist, wenn sich Dinge ändern, ist es doch wichtig, dass ich meine Liebesgesten, Überraschungen und Geschenke den aktuellen Bedürfnissen meiner Partnerin anpasse. Sonst wird sie sich schlussendlich nicht wertgeschätzt fühlen. Hier ist Kreativität gefragt! Sowieso ist es auf Dauer langweilig, immer die gleichen Geschenke zu machen und im gleichen Restaurant um die Ecke zu essen....Vielleicht kann ich mir dieses Jahr am Geburtstag meiner Partnerin einmal überlegen, was ihr denn im Moment wirklich Freude machen würde und ob es auch kleine Dinge gibt, mit denen ich ihr das ganze Jahr hindurch zwischendurch eine kleine Freude machen könnte. Denn Beziehungen leben von den kleinen Gesten...
geschrieben von Noëmi Ruther
Was Paare glücklich macht
Glücklich trotz Streit
Ja, manchmal streiten wir. Und hin und wieder bin ich launisch oder meine Frau ungeduldig. Zwischendurch mache ich ihr einen Vorwurf, der nicht nötig wäre oder sie hört mir nicht richtig zu, weil sie gestresst ist. Aber ich würde unsere Beziehung trotzdem als glücklich und gut bezeichnen. Vielleicht deshalb, weil trotz dieser Dinge unser Alltag von viel Positivität geprägt ist: Meine Frau macht mir ein Kompliment für das Abendessen, das ich gekocht habe, ich ihr für ihr neues Kleid. Bevor wir aus dem Haus gehen, gibt es einen langen Kuss und wenn wir von der Arbeit nachhause kommen, erzählen wir uns, wie der Tag war. Unser Beispiel zeigt, dass sich glückliche und unglückliche Paare nicht unbedingt dadurch unterscheiden, dass erstere immer nur liebevoll miteinander umgehen und letztere nur streiten und sich Vorwürfe machen. Wichtig scheint insbesondere, dass das Positive in der Beziehung überwiegt und wir die Beziehung somit trotz allem als bereichernd erleben. Vor 20 Jahren begann sich auch die Forschung für das Verhältnis von positiven und negativen Verhaltensweisen in Beziehungen zu interessieren. Der amerikanische Paarforscher John Gottman postulierte ein Verhältnis von 5:1 in glücklichen Beziehungen. Das heisst, dass es für jedes negative Interaktionsverhalten (beispielsweise einen Vorwurf oder eine unfreundliche Bemerkung) fünf positiver Verhaltensweisen (beispielsweise eines Kompliments, einer Umarmung, eines offenen Ohrs) bedarf. Einige Jahre später untersuchte Professor Bodenmann gemeinsam mit der italienischen Professorin und Forscherin Anna Bertoni, wie sich glückliche und unglückliche Paare hinsichtlich Positivität und Negativität unterscheiden. Darüber hinaus untersuchten sie auch den Konfliktstil der Paare sowie die Beziehung zu ihren Herkunftsfamilien.
Was macht den Unterschied?
Für ihre Studie befragten sie 226 verheiratete Paare. Ein Teil der Paare (86) war in einer Paartherapie. Von den Paaren, die nicht in Therapie waren, wurden 85 als zufrieden und 55 als unzufrieden eingestuft. Auch die Paare in Therapie beschrieben sich als unzufrieden und hatten durchschnittlich die tiefsten Zufriedenheitswerte. Die Paare waren im Durchschnitt seit rund 13 Jahren verheiratet, wobei einige erst seit einem Jahr und das Paar mit der längsten Ehedauer bereits 38 Jahre verheiratet war. Um die Positivität zu erfassen, mussten die Partner angeben, inwiefern sie Aussagen wie „Mein*e Partner*in hört mir aufmerksam zu“ oder „Ich kann mich auf meine*n Partner*in verlassen, wenn ich etwas brauche“ zustimmten. Die Negativität in der Beziehung wurde mit Fragen zu Konflikten, mangelnder Intimität und Commitment oder dem Unvermögen, mit Veränderungen umzugehen, erfasst. Als negative Verhaltensweisen wurden Beleidigung, Kompromisse, Vermeidung und Gewalt untersucht. Weiter wurde erfragt, wie häufig die Personen zu ihrer Herkunftsfamilie respektive der Herkunftsfamilie der Partnerin oder des Partners Kontakt hatten und wie zufrieden sie mit diesen Beziehungen waren. Zufriedene Frauen waren tendenziell jünger als Frauen in Therapie und unzufriedene Männer älter als zufriedene Männer oder solche in Therapie. Ausserdem waren die zufriedenen Paare im Durchschnitt weniger lang verheiratet als die unzufriedenen Paare. Das zeigt, dass die meisten Paare glücklich in eine Ehe starten. Das Bildungsniveau war bei Personen in der Therapiegruppe tendenziell am niedrigsten.
Positivität und Negativität
Die Ergebnisse zeigten, dass unzufriedene Paare (also Paare in Therapie wie auch unzufriedene Paare ohne Therapie) weniger Positivität und mehr Negativität in ihren Beziehungen erlebten. In jeder Gruppe fand sich zudem ein anderes Verhältnis von Positivität und Negativität: Bei den zufriedenen Paaren betrug das Verhältnis bei Frauen 4.0 zu 1.7 und bei Männern 4.1 zu 1.6. Bei den unzufriedenen Paaren war das Verhältnis 3.5 zu 2.2 (Frauen) respektive 3.5 zu 2.1 (Männer). Bei Paaren in Therapie 3.0 zu 2.9 (Frauen) respektive 3.1 zu 2.8 (Männer). Zufriedene wie auch unzufriedene Paare berichteten also sowohl über positive als auch negative Verhaltensweisen, das Verhältnis von Positivität und Negativität war allerdings in jeder Gruppe unterschiedlich und im Durchschnitt tiefer als bei der ursprünglichen Untersuchung von John Gottman.
Konfliktstile
Auch bei den Konfliktstilen fanden sich Unterschiede: Unzufriedene Paare schlossen weniger Kompromisse als zufriedene Paare. Ausserdem zeigte sich, dass ältere Ehemänner kompromissbereiter waren. Bei Konflikten waren unzufriedene Paare zudem öfters beleidigend. Auch schienen diese Paare häufiger (konstruktive) Konflikte zu vermeiden als zufriedene Paare. Hier zeigte sich ausserdem, dass ältere Frauen öfters einen vermeidenden Konfliktstil zeigten. Auch fand sich bei unzufriedenen Paaren eine stärkere Tendenz zu Gewalt. Jedoch war Gewalt in allen Gruppen nicht sonderlich verbreitet.
Beziehung zur Herkunftsfamilie
Unzufriedene Paare gaben an, eine schlechtere Beziehung zur eigenen Herkunftsfamilie zu haben. Auch bei der Beziehung zur Herkunftsfamilie der Partnerin* oder des Partners* fanden sich tiefere Werte bei unzufriedenen Paaren. Die zufriedenen Paare hatten also eine bessere Beziehung zu ihren Herkunftsfamilien mit häufigerem Kontakt. Einerseits führt eine gute Beziehung zur Herkunftsfamilie natürlich zu mehr Unterstützung und weniger Konflikten und Belastungen. Andererseits hat die Beziehungsqualität oft auch eine intergenerationale Dimension: Wenn bereits die Eltern eine schwierige Ehe und schwierige Familienbeziehungen hatten, ist es für die Kinder schwieriger (aber nicht unmöglich) selbst eine gute Ehe zu führen.
In Kürze
Die Studie zeigte, dass unzufriedene Paare und insbesondere Paare in Therapie schlechtere Konfliktstile hatten und weniger gute Beziehungen zu ihren Herkunftsfamilien. Glückliche wie auch unglückliche Paare zeigten in ihren Beziehungen sowohl Negativität als auch Positivität, aber das Verhältnis unterschied sich ganz klar: Während Paare in Therapie etwa gleichviel negative wie positive Verhaltensweisen zeigten, fand sich bei zufriedenen Paaren etwa doppelt so viel Positivität wie Negativität. Vermutlich suchen sich Paare oft erst dann Hilfe in einer Therapie, wenn das Positive in der Beziehung nicht mehr überwiegt und mehr psychologische Kosten als emotionaler Nutzen entstehen.
Ein glückliches Paar werden oder bleiben...
Auch wenn es also normal ist, dass wir in unserer Beziehung auch manchmal launisch sind oder nicht richtig zuhören, ist es doch zentral, dass das Positive im Alltag überwiegt. Wenn wir uns in Konflikten zu oft beleidigen, aggressiv werden und keine Kompromisse eingehen, ist es schwierig, Intimität und Nähe aufzubauen. Die Konflikte jedoch einfach zu vermeiden ist auch keine Lösung. Eine gute Konfliktkommunikation lässt sich zum Glück lernen. Eine Möglichkeit dazu bietet das Paarlife-Training oder auch eine Paartherapie, falls man sich als Paar bereits in einer Krise befindet. Aber auch wenn ich in meiner Beziehung glücklich bin, ist es wichtig, dass ich das Positive im Alltag bewusst pflege und versuche, Konflikte in einem guten Rahmen und mit fairen Mitteln auszutragen.
Dieser Eintrag basiert auf der Studie Satisfied and dissatisfied couples, positive and negative dimensions, conflict styles, and relationships with family of origin von Prof. Dr. Anna Bertoni und Prof. Dr. Guy Bodenmann.
(Die Beispiele im Text sind fiktiv)
geschrieben von Noëmi Ruther
Was wir voneinander wissen sollten
Bist du schon fünf, zehn oder sogar zwanzig Jahre mit deiner Partnerin zusammen? Denkst du, dass du deinen Partner mittlerweile wirklich in- und auswendig kennst? Das wäre doch ziemlich schade und langweilig. Und Fakt ist: Auch wenn wir uns nach all den Jahren so gut kennen wie niemanden sonst, verändern und entwickeln wir uns dauernd. Sowohl unsere Träume, Projekte und Phantasien im Leben allgemein, als auch unsere Wünsche und Erwartungen an die Beziehung verändern sich. Wenn wir uns nicht „aus den Augen verlieren“ und emotional voneinander entfernen wollen, ist es zentral, dass wir uns immer wieder aufeinander einlassen und uns neu kennenlernen. In einer Studie mit Geschiedenen, die nach den Gründen für ihre Scheidung befragt wurden, nannten Frauen am häufigsten die mangelnde Kommunikationsfähigkeit des Partners, während Männer am häufigsten die unterschiedliche Entwicklung der Partner als Hauptursache sahen. Aber wie können wir an der Entwicklung des Anderen teilhaben und uns nicht nur individuell, sondern auch gemeinsam als Paar weiterentwickeln? In dem wir miteinander reden und einander zuhören. Und zwar nicht nur über Sauberkeit, Schwiegereltern und Sonntagsmenu. Vielleicht könnt ihr euch bei einem Glas Wein oder einem Tee wieder einmal ein paar der folgenden Fragen stellen:
geschrieben von Noëmi Ruther
-
- Welche Beziehungen und Freundschaften beschäftigen uns im Moment besonders, weil sie schwierig oder sehr wichtig für uns sind?
- Was sind unsere aktuellen Sorgen und Ängste?
- Wie würden wir unsere momentane Lebensphase beschreiben?
- Welche Musik hören wir im Moment gern und welche Autoren sprechen uns an?
- Wie ist die Beziehung zu unseren Familien? Welchen Verwandten fühlen wir uns besonders nahe?
- Was möchten wir erreichen, was treibt uns an?
- Was bedeutet eine erfüllende Partnerschaft für uns?
- Was brauchen wir voneinander, um uns in der Beziehung wohl zu fühlen?
- Wie viel Nähe wünschen wir uns?
- Was gefällt uns besonders aneinander?
- Wie hat sich unsere Beziehung in den letzten Jahren verändert?
- Wie stellen wir uns unsere Beziehung in zehn Jahren vor?
Wahrscheinlich sind die Antworten spannender als erwartet...
Die Fragen dienen dem gegenseitigen Updating und sind inspiriert von den Love Maps von Prof. Dr. John Gottman. Dieser Eintrag bezieht sich auf das Buch Beziehungskrisen – erkennen, verstehen und bewältigen von Prof. Dr. Guy Bodenmann.
geschrieben von Noëmi Ruther
Wiedermal Sex
Für die meisten Paare gehört Sex dazu. Die körperliche Liebe schafft eine besondere Art der Begegnung und Intimität. Und das wünschen sich viele für ihre Beziehung. Auch wissenschaftliche Studien zeigen: Wenn Paare mit ihrer Beziehung sehr glücklich sind, sind sie auch mit dem Sex zufrieden. Ob der gute Sex der Grund für die gute Beziehung ist oder umgekehrt, sei dahingestellt.
Sex oder Reden?
Damit wir in unserer Beziehung auch langfristig ein erfüllendes Sexleben haben, müssen wir darüber reden, was „guter Sex“ für uns überhaupt bedeutet. Was gefällt mir eigentlich besonders? Was wünschst du dir mal wieder? Wenn man jahrelang nicht offen über Sex gesprochen hat, brauchen diese Gespräche Mut. Aber es lohnt sich! Es braucht auch Mut herauszufinden, was „guter Sex“ für uns und nur für uns bedeutet – egal was die Medien, unsere Freunde oder sonst irgendwer propagiert. Nur wir können entscheiden, welchen Stellenwert wir Sex in unserer Beziehung geben und wie er aussehen soll. Wichtig ist nur, dass wir einen gemeinsamen Weg finden, der für uns beide stimmt und auf dem wir den Sex geniessen können.
Der ganz verrückte Alltag
Ja, es gibt sie: Die Phasen in denen der Sex einfach nicht im Vordergrund steht. Phasen in denen wir zu gestresst sind, die Kinder extrem viel Aufmerksamkeit fordern oder jemand aufgrund körperlicher Einschränkungen einfach keine Lust hat. Das ist normal und ok! Die Lebensumstände, das eigene Befinden, Stress durch Beruf oder Kinder – alle diese Erfahrungen wirken sich auf unser Sexleben aus. Sex spielt sich nicht im luftleeren Raum ab. Gerade das macht ihn aber auch lebendig und spannend. Er ist nicht immer gleich, hängt von der Zyklusphase ab, davon, wie unsere Beziehung gerade aussieht, wie unser Tag war, in welcher Umgebung wir sind...Wenn es also einmal nicht klappt, müssen wir nicht gleich verzweifeln. Gerade in Stressphasen ist es wichtig, dass wir uns unterstützen und so gemeinsam Stress abbauen. Manchmal hilft dazu sogar auch Sex. Auch Beziehungsstress durch Konflikte kann die Lust an der Lust nehmen. Einfach nicht darüber zu reden, hilft hier langfristig nicht. Wenn wir einen Weg finden, Konflikte und Probleme gemeinsam und fair zu lösen und uns um einen liebevollen Umgang miteinander bemühen, ist das die ideale Grundlage für guten Sex.
Wo bleibt das Prickeln?
Wenn wir schon einige Jahre zusammen sind, fehlt es manchmal – das Prickeln. Grund zur Sorge und können wir etwas dagegen tun? Wenn uns der Sex wichtig ist, müssen wir ihn pflegen und uns aktiv darum bemühen, dass er lebendig bleibt. Das heisst: Eine bewusste Entscheidung treffen, dass wir Sex haben wollen. In welcher Form und wie oft, kann dann ausgehandelt werden. Damit sich wieder ein Begehren entwickeln kann, braucht es regelmässige Zeit zu zweit. Ein Restaurantbesuch, ein gemeinsames Bad oder eine Massage... Wenn wir lange zusammen sind, können wir uns nicht immer darauf verlassen, dass wir spontan Lust auf Sex haben, so wie es vielleicht am Anfang war. Aber die Atmosphäre, die wir schaffen, kann viel zu Entspannung und Lust beitragen. Dazu gehört auch, dass wir Wäschestapel und Bürokram mal aus dem Schlafzimmer räumen oder uns überlegen, wo Sex denn sonst noch spannend sein könnte.
Tausend Möglichkeiten
Auch als langjähriges Paar können wir uns immer wieder neu entdecken, wünschen und träumen und neue Ideen in unser Sexleben integrieren. Dabei ist es wichtig, dass ich versuche, mich auf die Ideen meines Partners einzulassen, ja ihn vielleicht auch danach zu fragen. Ebenso wichtig ist, dass ich auch Grenzen setzte, wenn etwas für mich nicht stimmt. So können wir unsere Sexualität gemeinsam immer wieder weiterentwickeln.
Erwartungsdruck
Beim Sex geht es um den Genuss der körperlichen Begegnung. Zu viel Erwartungen und Druck lassen diesen Genuss rasch verschwinden. Gerade bei Frauen entstehen schnell Blockaden, wenn sie nicht sicher sind, dass sie jederzeit noch Stopp sagen können. Sie lassen sich dadurch oftmals gar nicht auf körperliche Begegnungen ein – aus Sorge ihren Partner mit der entstandenen Erregung allein zu lassen, wenn sie an einem bestimmten Punkt nicht weiter möchten. Aber so nimmt man sich selbst die Möglichkeit, dass man durch die Nähe und Intimität vielleicht auch Lust bekommt...
Freiheit lassen
Zum Schluss eine Weisheit von einem Paar, das seit 36 Jahren verheiratetund mit seinem Sexleben sehr zufrieden ist: Die beiden äussern, wenn sie zusammen in der Badewanne sitzen, ihre sexuellen Wünsche - ohne dass der andere direkt darauf antwortet oder eingeht. Es geht nur darum, die Bedürfnisse wahrzunehmen. Später hat dann der andere die Wahl, ob er den Wunsch aufgreifen und darauf eingehen möchte. Die Freiheit Wünsche zu äussern und die Freiheit auf diese einzugehen oder nicht scheint ein Schlüssel zu sein. Vielleicht lohnt es sich, dies einmal auszuprobieren –in der Badewanne oder anderswo.
Wunder Beziehung
Die Wissenschaft weiss bis heute nicht, warum Liebe in der Evolution entstanden ist, aber es gibt Hinweise, worunter sie leidet und wie man sie pflegen kann.
Aller Anfang wohnt ein Zauber inne
Neues ist zunächst immer aufregend und faszinierend, aber nach einer Weile beginnen wir uns daran zu gewöhnen. Wir haben das Bedürfnis nach Abwechslung und Bekanntes verliert schnell mal seinen Reiz. Das ist mit Orten, Dingen aber eben manchmal auch mit meiner Partnerin so. Und ehrlich gesagt spielt es nicht einmal wirklich eine Rolle, wie attraktiv, intelligent und supertoll ich meine Partnerin am Anfang fand. Wir sind alle diesem Mechanismus unterworfen. Mit der Zeit kann sich mein Blick ganz schön verändern: Am Anfang fand ich fast alles an ihr interessant und toll und die Hormone waren ganz schön aktiv. Doch mit der Zeit werden Eigenschaften, die ich vielleicht sogar gut fand, irgendwie nervig und immer mehr stört mich an ihr. Brauche ich einfach einen neuen Kick?
Schöner, besser, toller
Zu hohe und unrealistische Erwartungen machen es uns schwer. Meine Partnerin sollte zuvorkommend, interessiert, unterstützend, gleichzeitig aber auch unabhängig und sexy sein und mir ja genügend Freiräume lassen. Ganz schön hohe Ansprüche. Eine solche Liste löst einerseits Druck aus, und andererseits werde ich wahrscheinlich ziemlich enttäuscht. Besonders schwierig ist die Erwartung, dass meine Partnerin immer wissen sollte, wie es mir geht und was ich brauche, wenn sie mich wirklich liebt (ohne dass ich ihr dies alles mitteile). Auch bei aller Liebe kann sie diese Erwartung langfristig nicht erfüllen und wir werden beide unglücklich. Die Wegwerfmentalität unserer Gesellschaft ist hier nicht gerade hilfreich. Manchmal ist es einfacher, sich zu trennen und eine neue Partnerin zu suchen, anstatt für die Beziehung zu kämpfen. Aber ist das wirklich immer die beste Lösung?
Stress
Unter Stress sind wir besonders geneigt, den (auf den ersten Blick) einfacheren Weg zu wählen. Die Wahrheit ist: Eine neue Beziehung ist nach dem aufregenden Anfang den gleichen Gesetzen unterworfen, mit der Zeit wird auch der Reiz der neuen Partnerschaft verblassen. Das Problem ist also nicht gelöst. Die Auswirkung von Stress auf unsere Beziehung sollten wir aber auch allgemein nicht unterschätzen. Denn unter Stress haben wir einfach weniger Ressourcen, um uns um unsere Beziehung „zu kümmern“ und während wir versuchen, den Stress zu bewältigen, wird die Beziehung hinten angestellt. Dabei brauchen wir doch gerade in diesen Situationen jemanden an unserer Seite.
Stress von aussen
Stress hat oft erstmals gar nichts mit der Beziehung zu tun. Er entsteht bei der Arbeit, weil wir den Bus verpasst haben, Konflikte mit den Nachbarn haben oder eine Kombination aus allem zusammen. Doch dieser Stress kann für die Beziehung gefährlich werden. Vielleicht reden wir uns ein, dass es sich nur um eine vorübergehende Phase handelt und die Partnerin halt jetzt etwas zurückstecken (oder einstecken) muss. Aber wir können einander schnell aus dem Blick verlieren. Wir nehmen uns weniger Zeit, sind schneller gereizt und merken nicht mehr, was wir für Signale erhalten und senden. Wenn sich meine Partnerin das Ganze dann nicht einfach gefallen lassen will, sondern selbst auch ärgerlich und abweisend reagiert, kann die Situation eskalieren. Dabei hatte der Stress doch eigentlich gar nichts mit uns zu tun. Stress bleibt lange unbemerkt und kann so „heimlich“ die Beziehung angreifen. Wenn ich mich nicht trotz der Alltagsanforderungen bewusst für meine Beziehung einsetze, beginnen wir plötzlich nebeneinander her zu leben.
Stress als Lustkiller
Unter Stress hören wir uns nicht nur weniger gut zu oder schnauzen uns an, Stress beeinflusst auch unser Sexleben. Frauen haben unter Stress meistens weniger Lust auf Sex, da sie zu sehr mit der stressigen Situation beschäftigt sind. Männer nutzen die Sexualität manchmal als Ventil, um ihren Stress abzubauen und sich zu entspannen.
Wieso ich dich liebe
Nur weil wir uns mit der Zeit an unsere Partnerin gewöhnen, muss sie nicht langweilig werden und ihren Reiz verlieren. Manchmal muss ich mich vielleicht bewusst fragen: Was nehme ich als zu selbstverständlich hin, was eigentlich sehr schön an meiner Partnerin und meiner Beziehung ist? Welche Eigenschaften schätze ich besonders, und das noch immer? Damit die Beziehung lebendig bleibt, muss ich sie aber auch genauso wichtig nehmen, wie andere Bereiche meines Lebens. Das bedeutet, dass ich mich eben aktiv um die Beziehung „kümmere“. Wir können uns beide um schöne Erlebnisse und Momente bemühen und dabei kreativ bleiben. Es braucht die Energie und die Ideen von uns beiden. Wenn wir es schaffen, unsere Beziehung lebendig zu erhalten, dann kann sie für beide zu einer ganz wichtigen Ressource werden. Und gerade in der Bewältigung von Stress können wir einander unterstützen. In einem ersten Schritt ist es zwar wichtig, dass wir versuchen selbst mit dem Stress umzugehen, aber gerade bei schwierigen Themen, die uns fest belasten, können wir uns gegenseitig unterstützen.
Stress bewältigen
Wenn ich also meiner Partnerin von meinen Belastungen erzähle, ist es wichtig, dass ich nicht nur die Situation beschreibe, sondern mich auch öffne. Ich kann über meine Gefühle, meine (enttäuschten) Bedürfnisse, meine Gedanken und Wünsche sprechen, die damit verbunden sind. Das hilft meiner Partnerin, mich besser zu verstehen. So kann sie auch besser nachvollziehen, weshalb die Situation für mich so schlimm war, besser auf mich eingehen und mir Unterstützung anbieten, die ich wirklich brauche. Man braucht schliesslich nicht immer einfach einen Tipp. Bewusst Stress abzubauen (alleine oder zu zweit) ist auch wichtig für unser Sexleben. Denn wenn wir nicht entspannt sind, keine Musse und Zeit haben, wird es schwierig, uns gehen zu lassen und den Sex wirklich zu geniessen. Wenn wir uns gegenseitig unterstützen und persönliche Gespräche führen, kommen wir uns nahe und schaffen emotionale Intimität. Nicht selten ist dann auch der Schritt zur sexuellen Intimität leichter.
Mehr dazu im Buch „Bevor der Stress uns scheidet: Resilienz in der Partnerschaft“ von Prof. Dr. Guy Bodenmann (2015).
geschrieben von Noëmi Ruther